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uni'alumni 2016

alumni-netzwerk uni'alumni 2016 Der kriminologe bernd Maelicke setzt sich für reformen im Justizvollzug ein Kriminologinnen und Kriminologen gehen davon aus, dass sich in jeder Biografie so genannte Turning-Points finden. Diese „Dreh- und Angelpunkte“ geben dem Leben entschei- dende Wendungen. Der erste Turning-Point in Bernd Maelickes Leben bewahr- te ihn möglicherweise vor einer kriminellen Laufbahn. Mit zwölf Jahren war er jüngstes Mitglied einer Göttinger Bande, die Raubüberfälle verübte. Prof. Dr. Bernd Maelicke ist sich 62 Jahre später sicher: Viel hätte es nicht gebraucht, und er wäre in einem Heim für schwer erziehbare Jugendliche gelan- det. Und, wie in den 1950er Jahren üblich, wahrscheinlich misshandelt und gebrochen worden. Seine Mutter rettete ihn gerade noch rechtzeitig. Die Mutter hatte Maelicke fünf Jahre zuvor, 1948, Flucht- helfern anvertraut. So war er dem unsicheren Nachkriegs- Berlin entkommen. Die nächtliche Flucht über den Harz war eine existenzielle Erfahrung. „Die Schüsse, das Hundegebell in der Dunkelheit – das ist alles sofort wieder da, wenn ich da- ran denke“, sagt Maelicke. In Göttingen wurde er zum jugend- lichen Delinquenten. „Wenn ich heute in den Jugendvollzug gehe und die 14- bis 17-Jährigen sehe, sehe ich immer mich selbst.“ Doch seine Mutter, inzwischen ebenfalls in den Westen geflohen, holte ihn nach Süddeutschland. Maelicke besuchte das Gymnasium in Lörrach. In der Schule lernte er seine heutige Frau Hannelore kennen. Ihr Vater Kurt Eickmeier war einer der ersten Bewährungshelfer Deutschlands. Dieser „charismati- sche Pionier“ legte den Grundstein für Maelickes Lebensthema. Das war der zweite Turning-Point. Politisch engagierter student Das 1964 aufgenommene Studium der Rechtswissenschaf- ten, Volkswirtschaftslehre und Kriminologie in Freiburg dauerte zwölf Semester – denn Maelicke engagierte sich politisch. In seine vier Semester als Sozialreferent im Studierendenparla- ment AStA sowie im Vorstand des damaligen Studentenwerks fallen die Eröffnung der ersten Krabbelstube für Kinder von Studierenden, der Start der psychotherapeutischen Beratungs- stelle und die Eröffnung des Studierendenwohnheims an der Sundgauallee. Maelicke war auch federführend bei der Ab- schaffung des akademischen Disziplinargerichts, das Studie- rende auf Grundlage einer Satzung aus dem Dritten Reich zu wochenlanger Karzerhaft verurteilen konnte. Nach Studium und Promotion ging Maelicke ans Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt am Main, das er ab 1978 leitete. Von 1990 bis 2005 trieb er als Ministerial- dirigent im schleswig-holsteinischen Justizministerium eine umfassende Reform des Justizvollzugs voran. Er baute die Der Überzeugungstäter Porträt Bewährungshilfe und ambulante Resozialisierungsprojekte aus. Heute sitzen – bezogen auf je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner – in Schleswig-Holstein nur halb so viele Menschen hinter Gittern wie in der gesamten Bundesrepublik. „Ich hatte das Glück, eine rationale und nachhaltige Krimi- nalpolitik mit voller Rückendeckung durch den Landtag um- setzen zu können.“ Ergebnis seiner Forschungen und Maßgabe seiner Reformmaßnahmen war die Einsicht, dass das Gefängnissystem mit seiner gewalttätigen Subkultur aus den meisten Insassen Rückfalltäterinnen und -täter macht. Dass nur ein Bruchteil der Strafgefangenen ins Gefängnis gehört, ist auch die These von Maelickes aktuellem Buch „Das Knast-Dilemma. Wegsperren oder resozialisieren?“. In der „Streitschrift“ – so der Untertitel – argumentiert er ohne Polemik für weitere Reformen. Anders als in seinen mehr als 200 Fachpublikationen schildert er auch persönliche Erfah- rungen, die ihn zum überzeugten Streiter für ein umfassen- des, gesetzlich geregeltes Resozialisierungssystem machten. Das Buch findet ein breites Publikum. Nur die Politikerinnen und Politiker, die Maelicke damit eigentlich anspricht, enga- gieren sich ihm zufolge noch immer zu wenig für nachhaltige Innovationen. Martin Jost bernd Maelicke ist Gründungsdirektor des Deutschen instituts für sozialwirtschaft e.v. in kiel. Foto: Deutsches Institut für Sozialwirtschaft 21

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