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uni'leben 02-2013

Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de von Stephanie Streif Eine Gruppe von Kindern steht zusammen mit einer Försterin im Wald. Auf dem Boden liegt eine Weißtanne, die gerade mit lautem Krachen zu Boden gefallen ist. Die Kinder schauen nach oben und betrachten das Loch zwischen den dichten Baumkronen. Still ist es, zwei, drei Momente lang. Plötzlich redet ein kleiner Junge drauflos: Die Försterin solle sich doch bitte keine Sorgen machen. Da seien schon kleine Bäume, die die Lücke bald wieder schließen würden. Erst ein paar Jahre alt – und schon hat er verstanden, was Nachhaltigkeit bedeutet. Die Försterin Karin Dürr leitet in Kaltenbronn im Nordschwarzwald das „Infozentrum“, eine Art Umwelt- bildungseinrichtung. Zusammen mit der Erzieherin Anja Laubel macht sie die nachhaltige Nutzung natür- licher und nachwachsender Res- sourcen am Beispiel Holz für Kin- der erfahrbar: in einem Waldstück, das ohnehin durchforstet werden musste, durften sich die Kindergar- tenkinder einen Baum aussuchen, der dann vor ihren Augen gefällt, zersägt und weiterverarbeitet wur- de. Mit den Ästen des Baums wur- de das Waldsofa der Kinder neu gepolstert, die Baumspitze wurde zum Kita-Weihnachtsbaum, und aus den Holzresten werden Zwer- genhäuschen gebaut. Außerdem bekommt der Kindergarten eine Hütte, die aus dem zu Brettern zer- sägten Stamm gezimmert werden soll. „Uns war es wichtig, die Kinder miterleben zu lassen, was aus ei- nem großen Baum alles entstehen kann“, sagt Dürr. Vom Wohlfühl- zum Bildungskonzept Dass Kindergartengruppen im Wald unterwegs sind, ist nicht neu. 1993 wurde der erste Waldkinder- garten Deutschlands in Flensburg gegründet. Heute gibt es davon mehr als 1.000. Auch normale Kin- dergärten bieten für die Allerkleins- ten Waldtage und -wochen an. Auf Bäume klettern, durch Matsch waten und mit Stöcken den Wald erobern, das machen schließlich alle Kinder gerne. Kein Wunder also, dass das Draußensein schon längst pädagogisiert wurde. Doch dieses Wohlfühlkonzept wurde jetzt um einen Aspekt erweitert: Während die Kinder die Natur er- leben, sollen sie ganz nebenbei erfahren, was es heißt, nachhaltig zu handeln. Darum startete 2012 ein bundesweites Projekt zur Stär- kung von waldbezogener Bildung für nachhaltige Entwicklung im Elementarbereich. Seither erar- beiten 20 Forstleute und 20 Erzie- herinnen aus zwölf Bundesländern in Workshops Bildungsangebote, die mit Kindern im Wald erprobt werden. Dr. Beate Kohler, Forstwissen- schaftlerin an der Professur für Forst- und Umweltpolitik der Uni- versität Freiburg, und Ute Schulte Ostermann vom Bundesverband der Natur- und Waldkindergärten haben das Projekt „Der Wald ist voller Nachhaltigkeit“ gemeinsam erarbeitet. „Bei der Ausgestaltung war es uns wichtig, von den Kin- dern her zu denken. Statt ihnen komplexe Erwachsenenthemen überzustülpen, wollten wir ihnen Angebote mit beobachtbaren Phä- nomenen im Wald machen“, er- zählt Kohler. Darum habe man sich mit den Pädagoginnen und Päda- gogen zusammengetan, um sich im Dialog mit den Kindern dem Thema anzunähern. „Wichtig dabei ist, allen Beteiligten jede Menge Know-how in Sachen Nachhaltig- keit mitzugeben.“ Schließlich folgt das Projekt den Vorgaben der lau- fenden Dekade „Bildung für nach- haltige Entwicklung“ der Vereinten Nationen. Spielend lernen im Workshop Die Workshop-Reihe beglei- tet die einzelnen Projekte in den Kindergärten. „Wir wollen unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht nur theoretisch fortbilden“, sagt Kohler. „Sie sollen auch spie- lerisch erfahren, um was es geht.“ Anfangs, als das etwas sperri- ge Wort „Nachhaltigkeit“ Kontur bekommen sollte, mussten die Teilnehmer den Begriffen „Ökolo- gie“, „Ökonomie“ und „Soziales“ Wortkarten zuordnen. „Das ging hin und her“, erinnert sich die Wissenschaftlerin. Wohin etwa mit dem Wort „Stuhl“? „Ganz klar ‚Ökologie‘, sagten die einen, ist ja aus Holz. Wird aber verkauft, also ‚Ökonomie‘, gab eine andere Grup- pe zurück. Auf diese Weise wur- den die drei Aspekte von Nachhal- tigkeit erfahren.“ Zwei Workshops später ging es um den nachhal- tigen Konsum des Waldprodukts Papier. Um diesen Zusammen- hang konkret zu machen, spielten einige Workshop-Teilnehmer die Geschichte des Papiers in selbst gestalteten Kostümen – natürlich aus Papier – nach. Eine andere Gruppe sollte sich mit den Auswir- kungen des weltweiten Papierkon- sums auf Mensch und Natur be- schäftigen und montierte in einem Zeitungstheaterstück Medienmel- dungen über den Papierkonsum. In und parallel zu den Work- shops entwickelten die Multiplika- torinnen und Multiplikatoren ihre pädagogischen Projekte. Kohlers und Schulte Ostermanns Aufgabe ist es, die Teams bei der Arbeit zu coachen: „in den Workshops machen wir Bildungsangebote, die Impulse für die jeweiligen Projek- te liefern. Wichtig ist, dass diese Angebote Schlüsselthemen der Nachhaltigkeit in den Fokus neh- men und konkrete Handlungsopti- onen zeigen.“ Außerdem erkunden die beiden Projektleiterinnen im Dialog mit den Tandems, welche Angebote in der Praxis funktio- nieren und welche nicht. So wird optimiert, was schließlich ans Kind gebracht wird – und an Er- wachsene, die sich für nachhal- tige Entwicklung interessieren, zum Beispiel Erzieher oder Eltern, denn sämtliche Projekte werden in einem Buch dokumentiert. Wem das nicht reicht, der darf sich auch weiterbilden lassen: „Ende 2014 ist das Projekt abgeschlossen“, sagt Kohler. „Dann wollen wir durch die Republik touren und mit unseren Tandems ein- bis zwei- tägige Fortbildungen vor Ort an- bieten.“ Der Wald ist voller Nachhaltigkeit Das Projekt folgt den Vorga- ben der Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ der Vereinten Nationen, ist länder- übergreifend und soll waldbe- zogene Bildung für nachhaltige Entwicklung in Waldkindergärten und Kindertageseinrichtungen stärken. Partner der Universität Freiburg und des Bundesver- bandes der Natur- und Waldkin- dergärten sind Kindergärten und Landesforstverwaltungen aus Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Nieder- sachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, aus dem Saar- land, aus Sachsen, Sachsen- Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen sowie der Deutsche Jagdschutzverband, die Schutz- gemeinschaft Deutscher Wald, der Verband Österreichischer Förster und zwei Organisatio- nen aus Südkorea und Japan. Gefördert wird das Projekt von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, Bingo!-Projektförderung in Schleswig-Holstein und von zwölf Landesforstverwaltungen. 02 2013 Freiburger Forscherteam entwickelt Konzepte, die Kindergartenkindern den sperrigen Begriff der Nachhaltigkeit näherbringen sollen Antritt: Verfasste Studierenden- schaft kommt > S. 3 Anpfiff: Laura Benkarth hütet das Tor des SC Freiburg > S.12 Bäume sind aus Holz – aber viel wichtiger ist: Daraus können auch Spielsachen gebaut werden. Und die Bäume wachsen sogar wieder nach. FoTo: PHoToPHoNiE/FoToLiA Anfang: Neues Projekt zur Biomasseverbrennung > S. 5 Lernen imWald Anpfiff: Laura Benkarth hütet zur Biomasseverbrennung > S. 5

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