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uni'wissen 01(3)-2011

„Wenn Mathematiker über Mathematik reden und schreiben, ist diese Kommunikation ein ständiger Versuch, Selbstbilder zu schaffen und sie in der kulturellen Wahrnehmung und in der Öffentlich- keit zu verankern.“ Eine Art Image Building also, eine seit Jahrhunderten sorgsam betriebene PR- Kampagne für die Disziplin der Zahlen, Zeichen und Figuren. An der Rede über Mathematik mischen aller- dings nicht nur Mathematiker mit: „Wenn in einem Schuldrama ein Mathematiklehrer auftritt und ­Eigentümlichkeiten wie Kaltherzigkeit oder Ver- bohrtheit aufweist, sagt das etwas über das Bild der Mathematik aus, das ein Schriftsteller konstru- ieren will“, erklärt die Germanistin. Gerade die satirischen Schülerromane und Schülerdramen bedienten sich der von Mathematikern geschaf- fenen Stereotype, um ihre Gesellschaftskritik zu lancieren. Harmonische Herren der Zahlen und Zeichen Für Andrea Albrecht, die Germanistik, Philoso- phie und Mathematik studiert hat, waren die un- terschiedlichen Disziplinen bis nach ihrer Disser- tation nicht unter einen Hut zu bringen, „zwei ­getrennte Teile meiner Person“. Die Idee, beide zu verknüpfen, hatte sie, als sie im Rahmen eines Projekts an der Universität Göttingen Kultur- und Naturkundezeitschriften des 19. Jahrhunderts un- tersuchte. In vielen Ausgaben entdeckte sie Artikel, die Schnittstellen zwischen den Geistes- und Natur­ wissenschaften aufwiesen: Als zum Beispiel ­Pablo Picassos Skulpturen und Bilder Künstler in ganz Europa inspirierten, erörterten Architekten, Kunsthistoriker und Maler den Begriff der Abstrakt- heit. Gleichzeitig begannen die ­Mathematiker eine Debatte, in der sie konkretes versus ab­ straktes Denken für ihre Forschung abwogen. „In diesen Zeitschriften erkennt man das große ­Bedürfnis nach einem Dialog der Wissenschaften“, Thomas Hobbes behauptete in seiner philosophischen Schrift „Leviathan“, die Menschen führten einen „Krieg aller gegen alle“, wenn es keinen starken Staat gebe, der sie im Zaum halte – eine These, die im Widerspruch zu dem angeblich stets friedlichen Gemüt eines Mathematikers steht. Quelle: Wikimedia Commons „Witz, Kunst, Fantasie und Leben auf der einen, Kalkül, Regel, Trockenheit und Pedanterie auf der anderen Seite – diese Fronten begannen zu wackeln“ 26