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uni'wissen 02-2015

die uns sonst zuwider sind. So kann sie einen Bezug herstellen, der in der sozialen Welt nicht möglich oder nicht gewollt ist.“ Dorothea Langes Arbeit ist für Lemke Vorläuferin einer neuen Dar- stellung von Armut. Zeitgenössische Künstler wie der Kanadier Jeff Wall oder der amerikani- sche Fotograf Tom Stone spielen noch stärker mit dem „unbeständigen Blick“: Betrachtet man Stones stilvolle schwarz-weiße Porträts, ist nicht immer klar, ob einem ein resignierter Obdachlo- ser oder ein blasierter Hipster mit Hut und Drei- tagebart entgegenblickt. Auch TV-Serien, das amerikanische Medium schlechthin, haben in den vergangenen zehn Jahren die Art und Weise verändert, wie sie soziale und ökonomische Ungleichheit in Szene setzen. Der einst so eisern propagierte amerikanische Traum erscheint durch die Linse des „prekären Fernsehens“ als ein Scherbenhaufen, der nun zum neuen Drehort wird: Da ist Walter White, ein an Krebs erkrankter Chemielehrer und Antiheld der Serie „Breaking Bad“, der zum Drogenkönig mutiert, weil er seine Familie vor dem finanziellen Bankrott retten will; da gibt es millionenschwere Konzernchefs, die sich in pseudosensiblen Sozi- alstudien als „Undercover Bosses“ ein paar Stunden lang die Hände im eigenen Unterneh- men schmutzig machen; da schlagen sich vier „Girls“ im New Yorker Szene-Stadtteil Brooklyn durchs Leben – sie stammen aus so wohlhaben- den Familien, dass ihre temporäre Existenz an der Grenze zur Armut als sexy Lifestyle erscheint. Bisher fehlte eine solche Studie in der Filmwissen- schaft. Eine Leerstelle, die nun geschlossen wird: 2016 soll der Sammelband „Class Divisions and Serial Television“ erscheinen. www.pr.uni-freiburg.de/go/lemke Zum Weiterlesen Lemke, S. (2016): Poverty and inequality in contemporary American culture. New York (in Vorbereitung). Lemke, S. / Schniedermann, W. (Hrsg.) (2016): Class divisions and serial television. London (in Vorbereitung). Lemke, S. (2013): Poverty and Class Studies. In: Fluck, W. / Redling, E. / Sielke, S. / Zapf, H. (Hrsg.): American Studies today: new research agendas. Heidelberg, S. 71–99. Prof. Dr. Sieglinde Lemke hat in Konstanz Englisch und Geschichte studiert. Nach ihrer Dissertation an der Freien Universität Berlin legte sie dort 2003 ihre Habilitationsschrift vor, in der sie einen trans- kulturellen Ansatz in der Literaturwissenschaft ent- wickelte. Lemke dozierte und forschte an US-ameri- kanischen Universitäten wie der Harvard University, der University of California in Irvine sowie der University of California in Berkeley, der New York University und der Georgetown University. Seit 2006 hat sie eine Profes- sur für Amerikanistik an der Universität Freiburg inne. Der- zeit bereitet die Forscherin ihre vierte Monografie zum Druck vor. Zu ihren Schwer- punkten gehören die Gender- forschung, der Film, Cultural Class Studies, African American Literature, Moder- nism und Kulturtheorie. Foto: privat In der TV-Serie „Breaking Bad“ dealt der an Krebs erkrankte Walter White mit Drogen, um seine Familie nach seinem Tod vor dem Bankrott zu retten – sein Gehalt als Chemielehrer reicht dafür nicht aus. Quelle: Sony Pictures Home Entertainment „Das ist das Privileg der Kunst: Sie erlaubt es uns, Bereiche auszuloten, die uns sonst zuwider sind“ 11

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