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uni'wissen 01-2016

Prof. Dr. Daniel Leese hat Neuere und Neueste Geschichte, Sinologie und Volkswirtschaft in Marburg, München und Peking/China studiert. Nach seiner Pro- motion in Bremen kehrte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an die Ludwig- Maximilians-Universität München zurück. 2010 über- nahm er eine Vertretungs- professur am Institut für Sinologie der Universität Freiburg, wo er 2012 zum Juniorprofessor und 2015 zum Professor ernannt wurde. Zu seinen Forschungs- interessen zählen die politi- sche, soziale und kulturelle Geschichte Chinas im 20. Jahrhundert, chinesische Rechts- und Umweltge- schichte und die Geschichte der Qing-Dynastie. Foto: Tristan Vostry Arbeiterin Wang, die Leese antreiben, sich durch Tausende von größtenteils handschriftlichen chine- sischen Dokumenten zu arbeiten. „Mir ist wichtig zu zeigen, dass es in China damals nicht nur eine konforme Masse gab, sondern dass sich in den Fallakten individuelle Leben im Spannungs- feld von Anpassung, Widerstand und auch Täter- schaft spiegeln.“ Gegenwind für die Forscher Sämtliche Quellen werden in einem digitalen Archiv gesammelt, das nach Projektende anderen Forschern zugänglich sein wird, etwa für verglei- chende Studien zum Thema Übergangsjustiz. Die- ses theoretische Konzept sollte Leeses Ansicht nach auf unterschiedliche Formen des Übergangs von einer sozialen Ordnung in eine andere erwei- tert werden, auch wenn es – wie in China – nicht zu einem umfassenden Systemumsturz kommt. Die wichtigsten Dokumente sollen zudem ins Englische übersetzt werden. Damit entsteht die erste umfangreiche Datenbank, die sowohl den Umgang Chinas mit den Opfern als auch die ur- sprünglichen Gräueltaten des Maoismus doku- mentiert. Denn es geht Leese auch um eine Art Bestandsaufnahme der Täterinnen und Täter. „Im Grunde haben wir zwei Themen gleichzeitig. Wir können uns nicht nur auf die Aufarbeitung konzen- trieren, sondern müssen zusätzlich schauen, wer die Verantwortung für die Gewalt hatte.“ Gerade die Täterforschung jedoch gibt es bislang in China nicht. Sie sei für die heutigen Machthabenden besonders gefährlich und deshalb unerwünscht. Seit der Machtübernahme von Partei- und Staatschef Xi Jinping 2012 sei die Situation für die Forscher schwieriger geworden, so Leese. Unter Xis Führung erließ die KPCh eine Richtlinie, nach der die Geschichte der ersten 30 Jahre der 1949 gegründeten Volksrepublik nicht auf Basis der politischen Reformen der zweiten 30 Jahre negiert werden dürfe. Ebenso wenig dürfe man die Politik Maos idealisieren und sich auf dieser Grundlage vom heutigen Kurs der Partei distan- zieren. Damit wurden die ohnehin rudimentären Forschungen über die Zeit des Maoismus gestoppt. Leese musste bestehende Kooperationen ein- stellen – etwa mit der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, der die KPCh unterstellte, sie sei teilweise von ausländischen Kräften unter- wandert worden. Dennoch forsche er mit offenem Visier. „Wir sind stark darauf angewiesen, dass wir gute Kontakte zu chinesischen Kolleginnen und Kollegen haben, aber momentan ist das nur inoffiziell und auf persönlicher Ebene möglich. Wir beobachten die Politik ganz genau, damit wir unse- re chinesischen Projektmitarbeiter und Gesprächs- partner nicht in Gefahr bringen.“ Bislang gebe es zwar weder ein ausdrückliches Forschungs- noch ein Einreiseverbot, doch sei in Zukunft durchaus mit mehr Gegenwind zu rechnen. In Europa be- kommt Leese dagegen ausgesprochen positive Resonanz. Der Europäische Forschungsrat fördert sein Projekt mit einem Starting Grant in Höhe von 1,44 Millionen Euro. www.maoistlegacy.uni-freiburg.de uni wissen 01 2016 Zum Weiterlesen Leese, D. (2016): Die chinesische Kulturrevolution. 1966–1976. München. Leese, D. (2015): Revising verdicts in Post-Mao China. The case of Beijing’s Fengtai District. In: Brown, J. / Johnson, M. (Hrsg.)(2015): Maoism at the Grassroots. Everyday Life in China’s Era of High Socialism. Cambridge (Massachusetts/USA), S. 102–128. Leese, D. (2014): A single spark: origins and spread of the Little Red Book in China. In: Cook, A. (Hrsg.)(2014): Mao’s Little Red Book: A Global History. Cambridge, S. 23–42. Weitere Einblicke in das Projekt zur Aufarbeitung des Maoismus gibt das Videointerview mit Prof. Dr. Daniel Leese auf dem Forschungsportal Surprising Science: www.pr.uni-freiburg.de/go/mao In einer Volkskommune werden Kinder im Jahre 1969 davon überzeugt, lokale Klassenfeinde ausfindig zu machen. 31 uni wissen 012016

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