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uni'wissen 01-2016

Mit der Gliederung des Bachelorstudiums in Module sind die Studierenden gefordert, ein hohes Maß an Eigeninitiative zu zeigen. Sie müssen Lehrveranstaltungen nach- und vorbe- reiten, und die Arbeitsstunden werden mithilfe eines Punktesystems festgehalten. Somit hat das Studium einen konkreten zeitlichen Rahmen bekommen, der in manchen Studiengängen zu vier Fünfteln aus eigenständigem Wissenserwerb besteht. Die Universität kann dieses Selbststudium nicht überprüfen – es sei eine Black Box, sagt Matthias Nückles. Der Professor für Erziehungs- wissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität erforscht, wie eigenständiges Studieren funktio- niert. In mehreren Projekten hat er Mechanismen erprobt, die die Teilnehmenden zu einem reflek- tierten, selbstständigen Lernen anregen. Zwei seiner Vorhaben hat die Universität Freiburg mit ihrem Lehrentwicklungspreis „Instructional Development Award“ ausgezeichnet. Fakten statt Gefühle Nicht nur Studierende lenken sich mit allen möglichen Dingen ab, während sie eigentlich auf eine Prüfung lernen sollten. Die einen putzen die Wohnung, manche durchstöbern das Internet, andere gehen einkaufen. Durch dieses Aufschiebe- verhalten, die so genannte Prokrastination, ver- suchen sie Versagensängsten zu entgehen – indem sie sich einfach nicht mit dem Lernstoff befassen. „Die Angst zu versagen ist gleichzeitig Ausgangspunkt und Produkt einer Prokrastination“, sagt Nückles. Ehe sie sich versehen, befinden sich die Lernenden in einem Kreislauf des Auf- schiebens: Je höher die Angst vor der Leistungs- situation ist, desto eher wird versucht, diese zu umgehen. Um diese Dynamik zu beschreiben, haben Nückles und sein Team die Methode des Lerntagebuchs entwickelt. „Den Hang, das Lernen aufzuschieben, haben Studierende, weil sie sich selbst nicht ausrei- chend steuern können“, sagt Nückles. Der Ansatz der Projektgruppe war, die Lernenden mit dem eigenen Verhalten zu konfrontieren und ihnen eine möglichst objektive Betrachtung zu ermögli- chen. „Mit dem Lernen ist es wie mit vielen Dingen, die uns beschäftigen. Beispielsweise führt man während einer Diät Listen über verzehrte Speisen, um sich zu einem späteren Zeitpunkt auf Fakten anstatt auf Gefühle zu verlassen.“ In Kooperation mit der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen erarbeiteten die Forscherinnen und Forscher ein Online-Portal, auf dem Studierende der Forst- und Umweltwissenschaften ihren Lern- prozess dokumentierten. In einem persönlichen Profil notierten die 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer über 19 Wochen hinweg jeden Sonntag, wie sie ihr Lernverhalten der vergangenen Woche wahrnahmen und welche Lernziele sie sich für die kommende Woche setzten. Durch den Abgleich mit vorangegange- nen Aufzeichnungen stellten sie fest, welche Ziele sie erreicht hatten und welche nicht. Auf diese Weise konnten sie sich den eigenen Lernprozess vor Augen führen. „Sich einfach zehn Minuten Zeit zu nehmen, das eigene Lernen zu planen und darüber nachzudenken, macht das Lernen effektiver und trägt so zu einem späteren Prü- fungserfolg bei“, unterstreicht Nückles. Die Studie zeigte, dass Personen, die sich weniger vom Lernen ablenken ließen, durchschnittlich 1,24 Notenpunkte besser abschnitten als solche, die zum Aufschieben neigten. Kreislauf des Aufschiebens Der Zyklus des selbstgesteuerten Lernens be- schreibt, wie verschiedene Phasen ineinander übergehen. Lernende setzen sich zunächst Ziele und planen die Herangehensweise. Während des Lernens setzen sie verschiedene Strategien ein, um den Stoff zu verstehen und ihn sich ein- zuprägen, und sie überwachen den Prozess. Wie Nückles festgestellt hat, bevorzugen Studie- rende bei der Prüfungsvorbereitung besonders Wiederholungsstrategien, etwa indem sie sich die Präsentationsfolien von Vorlesungen immer wieder ansehen. Dagegen setzen viele von ihnen so genannte Elaborationsstrategien – etwa sich „Die Angst zu versagen ist gleichzeitig Ausgangspunkt und Produkt einer Prokrastination“ 45

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