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Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 01 2021 Ampulle: Besuch im Zentralen Impfzentrum Freiburg > S. 3 Aufenthalt: Stipendium für verfolgte Forschende > S. 4 Aufnahme: studentischer Podcast über Geschichte > S. 8 Und es hat Boom gemacht Der „Shoemaker-Krater“ in Westaustralien, benannt nach dem Geologen Eugene Shoemaker, ist von mehreren Seen umgeben. Q U ELLE: G OT T WA LD, K EN K M A N N, R EI M O LD: T ER R EST RI A L I M PACT ST RU CT U R ES, T H E TA N D EM -X AT L AS, V ER L AG D R. FRI ED RI C H PFEI L In einem Atlas beschreibt der Geologe Thomas Kenkmann alle bekannten Meteoritenkrater der Erde von Claudia Füßler Kollisionen von Asteroiden- bruchstücken mit der Erde zählen zu den fundamentalen Vor- gängen im Sonnensystem. Kleine Partikel dringen täglich in großer Anzahl in die Atmosphäre ein und verglühen. Auch größere Körper bremst die Erdatmosphäre wir- kungsvoll ab, sie zerbersten dann als Feuerball, und ihre Reste kön- nen als Meteorite auf der Erdober- fl äche aufgelesen werden. Etwa alle tausend Jahre jedoch kollidiert ein Asteroid von 50 Meter Durch- messer oder größer mit der Erde. Die Atmosphäre kann ihn bei die- ser Wucht nicht vollständig ab- bremsen, er behält einen Teil sei- ner kosmischen Geschwindigkeit. Beim Einschlag entsteht dann ein so genannter Impaktkrater – und genau dafür interessiert sich Prof. Dr. Thomas Kenkmann vom Institut für Geo- und Umweltnaturwissen- schaften der Universität Freiburg. Gemeinsam mit Kollegen hat er jüngst einen zweibändigen Atlas herausgegeben, der die bekannten Meteoritenkrater der Erde be- schreibt. „Ein Mammutprojekt, mit dem wir Neuland betreten“, sagt Kenkmann. Natürlich gebe es bereits Werke, die sich jenen Spuren widmen, die kosmische Gesteine auf der Erde hinterlassen haben. Allerdings sind diese Bücher Kenkmann zufolge unvollständig, was den heutigen Kenntnisstand angeht. Der Geologe hat daher gemeinsam mit dem Mineralogen Prof. Dr. Wolf Uwe Reimold von der Universität Brasi- lia/Brasilien und Dr. Manfred Gott- wald vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt mehr als drei Jahre lang Daten zusammenge- tragen. Die drei forschen seit über zwei Jahrzehnten an Kratern. Ins- gesamt fi nden sich in dem aufwen- dig illustrierten Werk alle 208 der- zeit bekannten Krater. Bei einigen jedoch – das ist kenntlich gemacht – fehlt noch der letzte Beweis da- für, dass es sich tatsächlich um einen Krater handelt. „Es müssen spezielle Gesteine und Mineralver- änderungen vorhanden sein, die die Einwirkung von Schockwellen belegen, wie sie beim Impaktvor- gang auftreten“, erklärt der Fach- mann. Durch den Einschlag eines Meteoriten werden Temperatur und Druck kurzfristig so stark verän- dert, dass es zu bleibenden Verän- derungen in den Gesteinen kommt. Diese müssen Wissenschaftlerin- nen und Wissenschaftler in jedem Krater nachweisen. Holt den Kraterforscher Bei der Suche nach einem neuen Krater kann theoretisch auch Google Earth helfen. „Man kann zum Beispiel Laien oder Studie- rende der Geowissenschaften be- teiligen, die auff ällige Strukturen in der Landschaft aufspüren“, sagt Kenkmann, doch die Treff erquote bei dieser Methode sei sehr gering. In ihrem ursprünglichen Zustand kann man sich die klei- neren Krater als schüsselartige Hohlformen mit aufgewölbtem Rand vorstellen. Die größeren hingegen besitzen häufig einen Berg im Zentrum und terrassierte Ränder. Allerdings sind nur die aller wenigsten Krater auf der Erde so gut erhalten und auch auf Luft- bildaufnahmen direkt zu erken- nen. „Wir nutzen verschiedene hochauflösende Fernerkundungs- daten und digitale Höhenmodelle“, sagt Kenkmann. Weitaus häufiger passiert es aber, dass ein Team bei einer geologischen Unter- suchung auf etwas stößt, das sich die Gruppe nicht erklären kann. Dann werden Kraterforscher wie Kenkmann gerufen. Vor Ort wird den Expertinnen und Experten dann viel Fleiß- und Detektivarbeit abverlangt. Bei Kratern zum Beispiel, die unter jüngeren Schichten verborgen sind, müssen sie aufwendige Tief- bohrungen vornehmen, um an das Gestein heranzukommen. Geo- physikalische Anomalien im Ge- steinsuntergrund helfen ebenfalls, einen Krater ausfi ndig zu machen und seine Größe zu bestimmen. Mit solch einer Puzzlearbeit hat man beispielsweise den Chic xulub- Krater in Mexiko ausfindig ge- macht – mit etwa 180 Kilometer Durchmesser der drittgrößte Krater, den die Wissenschaft kennt. „Man wusste, dass es im Über- gang von der Kreidezeit zur Ter- tiärzeit, also vor etwa 66 Millionen Jahren, ein großes kosmisches Ereignis gegeben haben muss, das unter anderem zum Ausster- ben der Dinosaurier führte“, erklärt Kenkmann. In der Grenz- schicht fanden Forschende näm- lich einen hohen Anteil des sehr seltenen Edelmetalls Iridium, das in einigen Meteoriten konzentriert ist. Diese Schicht wurde in Rich- tung Nordamerika und Mexiko im- mer mächtiger und führte schließ- lich zu dem Verursacher, dem Einschlagkrater Chicxulub auf der Yucatán-Halbinsel. Ein Meteorit, der einen Krater dieser Größe verursacht, schafft es etwa alle 100 Millionen Jahre auf die Erdoberfl äche. Es gibt noch mehr zu entdecken Kollisionen kosmischer Körper zählen zu den grundlegenden Prozessen, die nicht nur zur Ent- stehung der Planeten selbst ge- führt haben, sondern auch die Evolution des Lebens auf der Erde wiederholt beeinfl ussten. Während auf anderen planetaren Körpern wie dem Mond die Spuren der Kollisionen lange erhalten bleiben, führen auf der Erde Erosion, Sedi- mentation und Gebirgsbildung zur Zerstörung oder Bedeckung von Kratern. „Wir haben die Wahr- scheinlichkeit eines Einschlags mit der Erosionsrate kombiniert und so ausgerechnet, dass auf der Erde noch weitere 250 bis 300 Krater zu entdecken sind“, bilan- ziert Kenkmann. Das sind vor allem kleinere, die einen Durch- messer von weniger als sechs Kilometer haben. Kenkmann hat bisher etwa 40 Krater selbst vor Ort studiert, de- tailliert untersucht und geologisch kartiert. Einige der Krater haben spektakuläre Landschaften gebil- det; viele befi nden sich in unweg- samen und schwer zu erreichen- den Gebieten, in denen der Mensch kaum in die Natur einge- griff en hat. „Besonders fasziniert hat mich zum Beispiel der Upheaval- Dome-Krater im US-amerikani- schen Bundesstaat Utah“, sagt Kenkmann. „Hier ist der Krater zwar nicht mehr in seiner ursprüng- lichen Form erhalten, sondern stark erodiert. Dafür bietet er mit seinen extrem steilen Abhängen aber eine perfekte dreidimensio- nale Sicht auf den Kraterunter- grund.“ Der Geologe hat auch eine Vorliebe für australische Krater, doch das liegt weniger an den Kratern selbst als vielmehr an der Umgebung. „Dort waren wir bei mehreren Expeditionen wochen- lang im Niemandsland auf uns allein gestellt. Ein großartiges Abenteuer.“
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