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uni'wissen 02(4)-2011

es unlogisch und unpraktisch, dass zum Beispiel eine Meile um 1850 in Preußen etwa siebenein- halb Kilometer lang war, in Sachsen mehr als neun und in der Schweiz weniger als fünf. 250.000 lokale Längenmaße Gerade die Längenmaße boten eine verwir- rende Vielfalt: Allein in Frankreich existierten 800 verschiedene, und von Elle, Meile, Fuß oder Klafter gab es nochmals 250.000 Variationen. Die lokalen Unterschiede konnten gewaltig sein: Die Elle etwa war zwischen 40 und 120 Zentimeter lang. Die Standardmaße wurden an zentralen Punkten in den Städten angegeben, so wie am nordwestlichen Strebepfeiler des Freiburger Münsterturms, wo die alten Maße in den Stein geritzt sind. Schon in der Nachbarstadt konnten andere Einheiten mit den gleichen Namen gelten. Das störte die Zeitgenossen aber nicht: Auf den lokalen Märkten kannten sie sich aus, erklärt Kramper, und Kaufleute benutzten dicke Maß- und Gewichtssammlungen sowie Umrechnungs- handbücher. Im Laufe des 19. Jahrhunderts versandete das Maßsystem der Aufklärer zunächst. England und Preußen führten eigene Standards ein – der preußische Fuß und das britische Yard brachten etwas mehr Einheitlichkeit. Dass sich das metri- sche System doch noch durchsetzte, lag an wirt- schaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, die ab der Mitte des 19. Jahrhun- derts zusammenkamen. Einheitliche Standards brachten Vorteile für die Industrialisierung. Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Produktionswege durch Maschinenein- satz und Arbeitsteilung immer stärker verfloch- ten, Unternehmen stellten Massenware für wach- sende Märkte her. „Für Kohle etwa brauchte man nicht unbedingt standardisierte Einheiten“, ­erklärt Kramper. „Aber bei der Herstellung maschi- nell zu verarbeitender Baumwollfäden oder in der chemischen Industrie sah das ganz anders aus.“ Ein einheitliches Nummerierungssystem für die Dicke der Wollstränge vereinfachte die Produktion genauso wie gleiche Maße für elektrische Energie oder genormte Schrauben. Viele Unternehmen bauten die neuen Einheiten auf dem systemati- schen metrischen System auf. Meter und Kilogramm als Symbole der Unabhängigkeit Auch die Wissenschaft verlangte nach einem einheitlichen, exakten Maßsystem. „Besonders für die Erdvermessung brauchte man präzise Werte“, sagt Kramper. Es ging um riesige Distan- zen – kleine Fehler in der Grundeinheit hätten die Messergebnisse stark verfälscht. „Schon Mitte des 19. Jahrhunderts kam es nicht mehr auf Millimeter, sondern auf Hunderttausendstel Millimeter an.“ Außerdem übernahmen viele ­junge Nationen das metrische System, um sich von der alten Herrschaft abzugrenzen: zum ­Beispiel Kolonien in Lateinamerika, die von ­Spanien und Portugal unabhängig wurden, oder Japan, das nach der Meiji-Restauration 1868 den Übergang vom feudalen zum konstitutio­ nellen Staat schaffte. In Deutschland forderten Bevor es einheitliche Maße gab, galten lokale Einheiten wie die 54 Zentimeter lange Freiburger Elle (links) oder das Freiburger Zuber-Maß, das 182,26 Liter fasst. Die Inschrift über dem Hohlmaß heißt: „Der Zuber acht(-mal) aufgehäuft soll einen Karren (Holz-)Kohle ergeben“; „Karren“ meint die als nächstes folgende, größere Einheit. Beide Maße sind am nordwestlichen Strebepfeiler des Müns- ters zu finden. Fotos: Klaußner ‚‚Schon Mitte des 19. Jahrhunderts kam es nicht mehr auf ­Millimeter, sondern auf Hunderttausendstel Millimeter an“ 10 uni'wissen 04