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uni'wissen 02(4)-2011

Schweben und forschen: Experimente bei Parabelflügen sollen zeigen, ob Nerven und Muskeln in der Schwerelosigkeit genauso reagieren wie unter dem Einfluss der Schwerkraft. Foto: Hoffmann/Multhaupt DLR Countdown. Volle Schubkraft. Die Piloten ­ziehen das Flugzeug nach oben, im Winkel von 45 Grad. Innen ist die Schwerkraft doppelt so stark wie auf der Erde. Wer versucht zu gehen, kann die Füße kaum vom Boden lösen. Dann lässt die Beschleunigung nach, die Gravitation setzt aus, die Insassen beginnen zu schweben. „Es gibt kein Oben und Unten mehr, ähnlich wie im Wasser, nur ganz ohne Widerstand“, sagt ­Ramona Ritzmann, Doktorandin am Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Freiburg. Das Flugzeug steigt noch kurz weiter, geht dann in den freien Fall über. Nach zweiein- halb Kilometern setzen die Turbinen ein, fangen die Maschine ab. Schlagartig ist die Schwerkraft wieder so stark wie beim Anstieg. 22 Sekunden hat die Schwerelosigkeit gedauert. Die Piloten bringen das Flugzeug in die Horizontale, beenden damit die Parabel und leiten sofort die nächste ein. Bis zu 30-mal wiederholen sie das Manöver, um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Experimente in der Schwerelosigkeit zu ermögli- chen: Kristalle züchten, Materialeigenschaften untersuchen – oder, wie Ramona Ritzmann, ­Geräte testen, mit denen Astronautinnen und ­Astronauten künftig im Weltall trainieren sollen. Drei Stunden Sport täglich stehen schon heute bei der Besatzung der Internationalen Raum­ station ISS auf dem Programm, zum Beispiel mit Steppern oder Fahrrad-Ergometern. Dennoch können die Astronauten nach der Rückkehr auf die Erde nicht ohne fremde Hilfe gehen. Im Schnitt bauen sie monatlich zehn Prozent ihrer Muskelmasse ab sowie ein Prozent der Knochen- substanz, weil die Muskeln nicht mehr genug Kraft auf die Knochen ausüben. Betroffen sind vor allem Beine und Rumpf. „Die körperlichen Funktionen degenerieren, weil sie in der Schwere- losigkeit nicht beansprucht werden. Das ist wie bei einem alten Menschen, der im Bett liegt und sich nicht mehr bewegt“, erklärt Ritzmann. Eben- falls verloren geht die Fähigkeit, unter dem ­Einfluss der Schwerkraft eine aufrechte Körper- position zu behalten. Ziel der internationalen Raumfahrtbehörden jedoch seien Marsmissionen, bei denen die Astronauten bis zur Rückkehr auf die Erde drei Jahre lang unterwegs sein sollen, sagt Prof. Dr. Albert Gollhofer, Direktor des Insti- tuts für Sport und Sportwissenschaft: „Dafür ­reichen die bisherigen Trainingsmethoden nicht aus.“ Zusammenspiel von Nerven und Muskeln Gollhofer leitet das Freiburger Forschungsteam, das gemeinsam mit etwa 20 weiteren Gruppen neue Ansätze für den Sport in der Schwerelosig- keit entwickelt. An dem Verbund beteiligen sich unter anderem Expertinnen und Experten für Knochen, Muskeln oder das Herz-Kreislauf-­ System. Die Wissenschaftler der Albert-Lud- wigs-Universität untersuchen das Zusammen- spiel von Nerven und Muskeln. Ausgangspunkt jeder Bewegung sind Signale aus dem Nerven- system. Diese können über das Gehirn im Sinne einer bewussten Bewegung abgesandt oder als reflektorische Signale von den Sensoren im ­Bewegungsapparat aufgebaut werden. „Wir wollen Bewegungsabläufe von diesem Ursprung her ­genauer verstehen und dadurch die Trainings- methoden verbessern“, sagt Ritzmann. Wenn Probandinnen und Probanden neue Trainings­ geräte testen, löst dies bei ihnen neuromusku­ läre Anpassungsmechanismen aus, die von der Sportwissenschaftlerin gemessen werden. „Damit können wir feststellen, ob die Übungen die ­Nerven und Muskeln so ansprechen, dass das Training effektiv ist.“ Für das Weltall jedoch eignen sich die Geräte nur, wenn der Körper in der Schwerelosigkeit ­genauso wie unter dem Einfluss der Schwerkraft reagiert. Den Nachweis dafür wollen die Forsche­ rinnen und Forscher bei den Parabelflügen ­erbringen. „Die 22 Sekunden Schwerelosigkeit reichen aus, um festzustellen, ob die Muskeln ‚‚Die körperlichen Funktionen degenerieren, weil sie in der Schwerelosigkeit nicht beansprucht werden“ 21uni'wissen 04