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uni'leben 05-2014

05 2014 leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 3aktuell Zuckerhut aus Sandstein Touristinnen und Touristen legen derzeit umsonst den Kopf in den Nacken, um die Spitze des Freiburger Münsters zu bewundern. Seit Jahren trägt der Turm ein Baugerüst, auf dem Expertinnen und Experten an der Erhaltung des Wunderwerks arbeiten. Obwohl eine ständige Baustelle, ist die Stadtpfarrkirche bis heute das Wahrzeichen Freiburgs. Ein neues Buch präsentiert die Beiträge aus einer Vortragsreihe zum Münster, die Universität und Volkshochschule gemeinsam veranstaltet haben. Verena Adt hat darin Wissenswertes und Kurioses entdeckt. Zwerg und Weltwunder Von der Penthouse-Ebene heutiger Riesenbauten aus betrachtet, ist der Freiburger Münsterturm ein Zwerg. Im Wolkenkratzer Burj Khalifa in Dubai, der zurzeit den Höhen- weltrekord hält, könnte man den Münsterturm fast achtmal übereinanderstapeln. Aber bis ins 16. Jahrhundert hinein galt der Freiburger Kirchturm mit seinen 116 Metern als höchstes Bauwerk, ein wahres Weltwunder. Mehr noch als seine Höhe wurde sei- ne Schönheit gerühmt. Der achteckige Turmhelm wurde vielfach nachgeahmt. Bereits während seiner Fertigstellung im 14. Jahrhundert inspirierte er die Bau- meister der Münster von Straßburg, Basel und Ulm. Auch für die Dome Wiens, Prags und Kölns gab es an den Freiburger Turmbau angelehnte Pläne. Eine zweite Popularitätswelle erfuhr der Münsterturm im 19. Jahrhundert, als die Neugotik aufkam. Die Mariahilfkirche in München, die Lamberti-Kirche in Münster und die Wiener Votivkirche sind nur drei Beispiele, die zeigen, dass der Freiburger Turmhelm in der europäischen Sakralarchitektur erneut Schule machte. Platz für Prozessionen „Zur erlöschung menschlicher Unvernunft und blintheit“ gründete Erzherzog Albrecht VI. 1457 die Freiburger Universität. Der Stifter erteilte damit seiner neuen Hochschule keinen geringen Auftrag. Er stattete sie aber auch großzügig aus, indem er ihr die Patronatsrechte über das Freiburger Münster einräumte. 350 Jahre lang blieb es Universitätskirche, und ebenso lange waren Hochschule und Kirche eng miteinander verzahnt. Die Universität bestellte den Münsterpfarrer, der Rektor schritt bei Prozessionen hinter den Universitätszeptern an der Spitze, und Universitätsmitglieder nahmen bei feierlichen Gottes- diensten im Chorgestühl Platz. Alle wichtigen universitären Zeremonien fanden im Münster statt. Die Universität musste ihrerseits bei großen kirchlichen Ereignissen Präsenz zei- gen, vor allem bei den Prozessionen. Gelegenheiten aus. Das führte dazu, dass im 18. Jahrhundert kaum mehr als 90 Tage für den regulären Vor- lesungsbetrieb im Universitätsjahr übrig blieben. 620 Tonnen auf 56 Ecksteinen Dr. Robert Zollitsch musste im Dezember 2013 hoch hinaus, um ein Geburtstagsgeschenk anzuneh- men: An die hundert Meter über dem Münster- platz, in der Turmspitze der Kathedrale, trat im Beisein des damaligen Freiburger Erz- bischofs zum ersten Mal nach 700 Jahren ein neuer Eckstein seinen Dienst an. In- Handwerker des Münsterbauvereins und die Münsterbaumeisterin Yvonne Faller sahen zu, als die Stützkonstruktion ent- fernt wurde und der 250 Kilogramm schwere Sandsteinblock erstmals die volle Last übernahm, die er für weitere Jahrhunderte tragen wird – insgesamt zehn Tonnen, so viel, wie ein mittelschwerer Lkw wiegt. Die Gesamtlast des Turmhelms von 620 Tonnen verteilt sich auf 56 Ecksteine. Die meisten davon sind auch nach sieben Jahrhun- derten unversehrt. 20 Ecksteine weisen allerdings Beschädigun- gen auf – sechs davon so gra- vierend, dass sie ersetzt wer- den müssen. Weihe des neuen Chors: Dieser Festakt gilt als Münsterbaus. Der von Hans Baldung geschaf- fene Hochaltar ist da- mals noch in Arbeit. Aufgrund der Refor- men in der Liturgie, die das Zweite Vatika- nische Konzil (1960– 1965) beschloss, er- hält das Münster einen neuen Altarraum, den der Künstler Franz Gutmann gestaltet. Das Münster übersteht einen Luftangriff, der die Freiburger Innenstadt in Trümmer legt. Schwere Schäden trägt vor allem das Dach des Kirchen- schiffs davon, der Turm bleibt jedoch stehen. Die Reparatur- arbeiten am Münster beginnen unmittelbar nach dem Angriff und kommen 1952 zum Abschluss. 1200 1300 1400 1500 1600 1700 1800 1900 2000 Baubeginn: Der Zähringer- Herzog Berthold V. will sich eine angemessene Grabstätte schaffen und gleichzeitig die alte Pfarrkirche ersetzen, die für die rasch wachsende Frei- burger Bevölkerung zu klein geworden ist. um 1200: 1458 1827 19441513 2006 Das Münster wird der ein Jahr zuvor gegründeten Freiburger Universität zugeschlagen: 350 Jahre lang übt sie das Patro- natsrecht (siehe „Demokratie im Mittelalter“) aus. Freiburg wird Bischofssitz. Das Müns- ter wird damit zur Kathedrale und müsste eigentlich „Dom“ genannt wer- den. Doch es bleibt bei der traditionel- len Bezeichnung „Münster“. Sie wird unter anderem auch für die Bischofs- kirchen von Straßburg, Basel und Kon- stanz beibehalten. Demokratie im Mittelalter Demokratie in der Kirche, ein typisches Thema der modernen vor knapp 900 Jahren. Der Zähringer-Herzog Konrad I. sagte den Bürgern der Stadt im Jahr 1120 zu, dass er an der von ihm errichteten Pfarrkirche niemals von sich aus einen Priester einsetzen werde. Vielmehr sollten die Bürger eine Entscheidung treffen, die er dann zu bestätigen habe. Dieses ungewöhnliche Privileg hielt allerdings nur knapp 130 Jahre. 1247 holte sich ein anderer Konrad aus dem Nachfolgege- schlecht der Zähringer, der Grafen Freiburgs, das Patronatsrecht mit päpstlicher Hilfe zurück. Dabei blieb es auch unter den Habsburgern, bis die Stadtpfarrkirche 1464 der damals neu gegründeten Freiburger Universität zuge- schlagen wurde. Die „Albertina“ hatte das Patronatsrecht bis 1813 inne, als Freiburg badisch wurde. 1554 erhielt die Universitätskapelle des Münsters die Altartafeln, die Hans Holbein der Jüngere anfertigte. Madonna im Sternen- kleid: Die Patronin des Münsters ist Maria, die Mutter Jesu.Es werde Licht Nicht nur die brasilianische Metro- pole Rio de Janeiro hat einen Zuckerhut. Als das Freiburger Münster 1770 mit „chimischem Feuer“ illuminiert wurde, notierte Michael Fritz, der Abt des Klosters St. Märgen, bewundernd, die schlan- ke Spitze sei „extra schön heraußge- komen“ und der „ganze Thurm [schiene] wie fallender feyriger Zukerhut“. Anlass für die festliche Beleuchtung war der kurze Freiburgaufenthalt der 14-jährigen Maria Antonia, der Erzherzogin von Ös- terreich und künftigen französischen Königin Marie Antoinette, während ihrer langen Brautreise von Wien nach Paris. Die Vermählung besiegelte die Aussöhnung zwischen Österreich und Frankreich. Freiburg hatte guten Grund, dies zu feiern, mehr als ein Jahrhundert lang gelitten. Das Rundfenster zeigt die Werke der Barmherzigkeit. Hans W. Hubert, Peter Kalchthaler (Hrsg.): Freiburger Münster – Kunstwerk und Baustelle. Rombach, Schriftenreihe Münsterbauverein, Band 5, 2014. 190 Seiten, 24,90 Euro. www.pr.uni-freiburg.de/go/muenster-podcast FOTOS: THOMAS KUNZ 052014 120013001400150016001700180019002000 um 1200: 14581827194415132006

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