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uni'leben 04-2015

04 2015 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 8 campus Was Monopoly über Finanzierung, Rendite und Spieltheorie lehrt „Wer sich besser auskennt, gewinnt“ von Nicolas Scherger In der Serie „Abgezockt!“ treffen sich Redaktionsmitglieder von uni’leben mit Forscherinnen und Forschern der Universität Freiburg zu einem Spiele- nachmittag. Ziel ist, beliebte Gesell- schaftsspiele aus wissenschaftlicher Perspektive zu beleuchten – freilich mit einem Augenzwinkern. Das Spiel Kaufen, bauen, alle anderen in den Ruin treiben: Monopoly feiert die gute alte Zeit des Hochkapitalismus. Unge- bremstes Wachstum statt soziale Marktwirtschaft, nur die Reichen über- leben – ein Riesenspaß. Zumindest für diejenigen, die gewinnen. Die Spielerinnen und Spieler Prof. Dr. Dieter Tscheulin und Stephan Olk, Professur für Marketing und Ge- sundheitsmanagement; Rimma Geren- stein und Tanja Kapp, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Der Ablauf „Am Anfang darf man nichts ablehnen“, sagt Olk und kauft in der ersten Runde für 4.000 Euro den Südbahnhof. Prompt landet Kapp ebenfalls dort und muss ihm 500 Euro zahlen. „Zwölfeinhalb Pro- zent Rendite. Wenn Sie das im wirkli- chen Leben irgendwo bekommen, sa- gen Sie es mir – bei der Bahn sicher nicht“, kommentiert Tscheulin. Das Ver- hältnis von Investition und Ertrag sei bei den Straßen unterschiedlich, doziert der Finanzierungsexperte: „Wer sich besser auskennt, gewinnt.“ Glück spiele nur eine untergeordnete Rolle, etwa wenn lauter Immobilienprofis am Werk seien. „Jetzt sind alle wach“, sagt Gerenstein ein paar Runden später. Sie kauft die Elisenstraße für 2.000 Euro und kann damit als Erste bauen. Für weitere 6.000 Euro stellt sie zwei grüne Häu- ser auf jede der drei hellblauen Stra- ßen. „Wenn wir uns jetzt nicht zusam- mentun und Straßen tauschen, damit wir auch bauen können, hat sie schon fast gewonnen“, warnt Tscheulin. Wie zum Beweis führt ihn sein nächster Würfelwurf auf die Poststraße. Geren- stein ist um 2.000 Euro reicher. Aber Teamwork ist schwierig. Olk besitzt nur Straßen aus den gleichen Farbgrup- pen wie Gerenstein. Er kann also nicht tauschen, ohne die Großgrundbesitzerin weiter zu stärken. Bleiben Tscheulin und Kapp. Der Marktstratege unterbreitet ein erstes Angebot: Würde er im Tausch gegen die Turmstraße plus Betrag X die Wiener Straße von ihr bekommen, könnte er die orangefarbenen Straßen bebauen. Diese gelten als besonders rentabel. Sie liegen einige Felder hinter dem Gefängnis, sodass die Wahr- scheinlichkeit, im Laufe des Spiels dort zu landen, überdurchschnittlich hoch ist. Diese Information jedoch hätte der In- vestmentfachmann besser für sich be- halten. „Wenn die orangefarbenen die besten sind, will ich sie natürlich selbst haben“, sagt Kapp. Sie schlägt vor, ihm Badstraße und Opernplatz im Tausch gegen Berliner und Münchner Straße zu geben. Für Tscheulin ist dieses Angebot absurd: „Das ist so, als wollte die FDP als Junior-Regierungspartner den Bun- deskanzler stellen.“ Derweil zählt Ge- renstein ihr Bargeld. Bald stehen rote Hotels auf den hellblauen Straßen, ganz wie es der Ökonomieprofessor emp- fiehlt. Jetzt müsse sie nur noch abwar- ten, sagt er. Tut sie aber nicht. Mit einem Megadeal bringt sie Olk zurück ins Geschäft: Die Großkapitalistin will weiteres Bargeld, um Häuser auf Parkstraße und Schloss- allee zu bauen. Olk zahlt 8.000 Euro für die Hafenstraße, die eigentlich nur 2.800 wert ist – aber nur so kann auch er ins Immobilienbusiness einsteigen, und zwar auf den violetten Straßen. „Damit hat er noch eine kleine Chance“, sagt Tscheulin, für den das freilich nicht mehr gilt, da er sich mit Kapp weiterhin nicht handelseinig wird. Kurz darauf zieht er auf die inzwischen mit einem Hotel bestückte Schlossallee. Statt 40.000 Euro bekommt Gerenstein nur 6.900 – die Konkursmasse. Wenige Runden später verabschiedet sich Olk aus dem Spiel, schließlich ist auch Kapp pleite. Das Monopol ist vollendet. Die Analyse Kooperieren oder nicht, was bringt den größeren individuellen Vorteil? Die Grundfrage der mathematisch-ökono- mischen Spieltheorie lasse sich auf Entscheidungssituationen im Monopoly übertragen, sagt Tscheulin: „Frau Kapp und ich waren frühzeitig zum Verlieren verurteilt, weil sie sich einem sinnvollen Tausch widersetzt hat.“ Optimal für bei- de wäre gewesen, wenn sie so ins Ge- schäft gekommen wären, dass beide mit dem Hausbau hätten beginnen kön- nen. Da aber beide befürchteten, bei dem Geschäft übervorteilt zu werden, entschieden sie sich für eine unkoope- rative Strategie – und erzielten damit das für beide Seiten schlechteste Er- gebnis: Sie hatten auf den weiteren Spielverlauf keinen Einfluss mehr. Olks Einstieg in den Immobilienmarkt wiederum kam zu spät, zumal der oh- nehin dominierende Gerenstein-Kon- zern von dem vorangegangenen Deal deutlich mehr profitierte und eine über- wältigende Marktmacht erlangte. Um eine derartige Monopolbildung im wirt- schaftlichen Geschehen zu verhindern, seien Spielregeln der Ordnungspolitik vonnöten, sagt Tscheulin: „Ein sich selbst überlassener Markt, ohne Wett- bewerbsaufsicht und -förderung, führt zwangsläufig zur Monopolisierung der Wirtschaft – eine Problematik, auf die bereits der Philosoph Karl Marx vor mehr als 150 Jahren hinwies und die von der Freiburger Schule um Walter Eucken intensiv thematisiert wurde.“ Außer für Wirtschaftspolitik und Spiel- theorie schaffe Monopoly auch ein Ver- ständnis für Rendite, Finanzierung und Immobilienwirtschaft. Eine Überraschung gab es: Letztlich war es das Quäntchen Glück, das der frühzeitig zum Verlieren verurteilten Kapp auf den zweiten Platz verhalf – obwohl sie sich einem kon- struktiven Verhandeln verweigert und kein einziges Haus gebaut hatte. uni’kat Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwi- ckelte sich Berlin zu einer modernen Großstadt. Besonders nach der Reichs- gründung wuchs die Bevölkerung stark an. 1877 zählte die Stadt mehr als eine Million Einwohnerinnen und Einwohner, 1905 waren es mehr als zwei Millionen. Industrie, Gewerbe und Kunst blühten trotz der vielen sozialen und politischen Probleme auf. Zu dieser Kunst gehörten die vielfältigen Formen der musikalischen Unterhaltung: vom Straßenlied und den Jahrmarktsbelustigungen über Aufführun- gen in Unterhaltungstheatern bis hin zu Darbietungen in der preußisch-königlichen Hofoper, dem heutigen Staatstheater. Viele der Unterhaltungstheater hatten klingende Namen und waren für das Kulturleben des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zentral, etwa der Admi- ralspalast, der Friedrichstadtpalast, das Metropol-Theater oder das Apollo. In diesen Häusern spielte sich ein Teil des städtischen Nachtlebens ab, es wurden Revuen, Varietés, Zirkusvorstellungen und Filme gezeigt. Alles, was der leich- ten Unterhaltung diente und breite Schichten ansprach. In kleineren Eta- blissements, manchmal auch in einfa- chen Gaststätten oder gemieteten Sä- len, standen Alleinunterhalterinnen und Alleinunterhalter auf der Bühne. Lustspiele, Satiren und Possen In diesen Kontext urbaner Unterhal- tung gehört die Liedflugschrift aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Der „Berliner Stadtklatsch“ präsentierte Lieder, die mit Klavierbegleitung von „Gesangs- komikern“, wie es in der Verlagswerbung hieß, vorgetragen wurden. Dabei ging es in erster Linie um Humor und Satire, oft auch um Anzügliches und Erotisches. Die Lieder verfasste Eduard Linderer, ein Künstler, der sich auf Possen, Lustspiele, Satiren und die humoristische Liedform des Couplets spezialisiert hatte. Laut Druck wurden die „Berliner Leierkasten- Couplets“ im Vorstädtischen Theater in Berlin zum Besten gegeben. Die Texte sind witzig, aber literarisch anspruchslos. Hier und da nahm Lin- derer Zeitumstände kritisch aufs Korn: So geht das Couplet „Anno Dazumal und Anno Heut“ auf die dramatischen Zustände des damaligen Mietwoh- nungsbaus und den damit verbunde- nen Mietwucher ein – eine Problema- tik, die nicht nur im Berlin des 19. Jahrhunderts verbreitet war, sondern auch im heutigen Freiburg bekannt ist: Herr Architect, bau’n Sie mir’n Haus, Wo ick schlag’ recht viel Miethe raus, Sind ooch die Stuben schmal und klein, Fünf Stock hoch kann es immer sein! Doch muß es etwas schnelle gehen Und bald uff diese Stelle stehn. Vier Wochen haben Sie Zeit! So ist es Anno heut: Ja heute! heute! heut! www.zpkm.uni-freiburg.de Das Zentrum für Populäre Kultur und Musik (ZPKM) der Universität Freiburg beherbergt unzählige Schätze – von Schellackplatten und Pop-Singles über Liederbücher und Schlagerhefte bis hin zu Musicalpostern. In einer Serie stellt Dr. Dr. Michael Fischer, Leiter des ZPKM, besondere Exemplare aus den Sammlungen vor. Berliner Stadtklatsch für Gesangskomiker Die alte Leier: Die Liedflugschrift wettert gegen den Mietwucher in der wachsen- den Großstadt. Quelle: Zentrum für Populäre Kultur und Musik Monopoly ist mehr als 80 Jahre alt und gilt weltweit als eines der erfolgreichsten Brettspiele. FotoS: Patrick Seeger Dieter Tscheulin analysiert und gibt Tipps, ist aber als Erster pleite. Stephan Olk verhandelt clever – doch den Bankrott kann er nicht abwenden. 042015

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