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uni'leben 05-2015

05 2015 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 5 Dimensionen gibt eine frei schweben- de, sehr feine Düse die aus Zellen und Hydrogel bestehende Drucksubstanz als Flüssigkeitsfaden ab. Die Heraus- forderung sei, mithilfe der richtigen Drucktechnik „dem Zellhaufen Gestalt und Festigkeit zu geben“, sagt Koltay. Vorerst erproben die Forschenden das Verfahren anhand von Mustern in der Größe eines Zuckerwürfels. Ein spezieller Druckerprototyp baut auto- matisch eine vordefinierte anordnung von Knochen- und Gefäßzellen in Ku- ben von zehn Millimeter Seitenlänge auf; anschließend wird das Zellmaterial in vitro kultiviert. Im therapeutischen Einsatz soll es später aus Stammzellen der Patientinnen und Patienten gewon- nen werden, um eine Immunabwehr- reaktion des Organismus zu vermeiden. Die nötigen Zellen können laut Fin- kenzeller problemlos aus dem Fettge- webe des Patienten entnommen wer- den. Die präzise Dimensionierung des erforderlichen Knochenstücks ließe sich mit einer Computertomografie ermitteln. Zusammen ergebe das ein Paradebei- spiel individualisierter Medizin, berichtet der Forscher. Anwendungsgebiete sieht er zum Beispiel bei der Behandlung von Knochenkrebs, in der Tumortherapie und in der Unfallchirurgie. Noch steht das Projekt am Anfang. „In drei Jahren wollen wir wissen, ob unser Konzept technisch machbar ist, und auch schon Hinweise darauf haben, wie das Material vom Körper aufgenommen wird“, erklärt Koltay. Gelänge es dem Team, das künstlich erzeugte Knochen- gewebe mit Blutgefäßen zu versorgen, stünden als Nächstes Tierversuche auf dem Plan. Falls sich das Konzept bewäh- re, lasse es sich später möglicherweise auch auf andere Gewebe übertragen, ergänzt Finkenzeller. Großes Potenzial sieht er zum Beispiel im Testbereich: 3-D-Testsysteme könnten eines Tages vielleicht viele Tierversuche ersetzen. forschen teilweise erneuerte Solify-Trio – es be- steht heute aus Bastian Moritz, andreas Fuchs und Mario Villavecchia – eine Kurskorrektur an seinem Businessmodell vor: Die Firma will künftig als Internet- Plattform für 3-D-Druck und nicht mehr als Endproduzent auftreten. Angebot für technikaffine Kunden Der Kunde bekommt bei Solify ein Computermodell des gewünschten Ob- jekts. Spezifische Materialanforderun- gen, wie eine unterschiedliche Dichte der Schichten, sind in der digitalen Vor- lage berücksichtigt. Die Abnehmerin- nen und Abnehmer brauchen auf der Firmenwebseite nur noch die erforderli- che Größe des gewünschten Teils ein- zustellen und können es dann mit ihrem eigenen Drucker zu Hause herstellen. Das neue Angebot richte sich an technikaffine Privatkunden – Moritz spricht von „Machern, Tüftlern und Bastlern“. Nicht selten sind sie im Be- sitz von 3-D-Druckern, nur beim Um- gang damit seien sie manchmal noch unbeholfen. Deshalb macht Solify auch Schulungen und bietet Coaching an. Der 3-D-Druck müsse an den be- ruflichen Schulen als „eine weitere Fertigungstechnologie“ wahrgenom- men werden, findet der Gründer. Knochen kaputt? Kein Problem. Passgenaues Ersatzteil mit einem 3-D-Drucker herstellen, einsetzen, fertig. Das klingt zwar utopisch, aber die Wissenschaft ist auf dem Weg dorthin: Verletzte oder fehlende Kno- chen beim Menschen durch lebendi- ges Knochengewebe zu ersetzen ist das Ziel eines neuen Vorhabens, bei dem Freiburger Expertinnen und Ex- perten aus Medizin und Ingenieur- wissenschaft zusammenarbeiten. Prof. Dr. Günter Finkenzeller von der Klinik für Plastische und Handchirur- gie des Universitätsklinikums und Dr. Peter Koltay vom Institut für Mikro- systemtechnik der Universität teilen sich die Federführung des dreijähri- gen Projekts. In fünf bis sechs Jah- ren könnten den Forschern zufolge schon klinische Tests möglich sein. Während man mit dem so genann- ten Bioprinting-Verfahren bereits Ersatz für nicht durchblutetes Körper- gewebe, beispielsweise für Knorpel- masse, herstellen kann, sei bei Knochenersatz die Frage der Blut- versorgung noch immer weitgehend ungelöst, erklärt Finkenzeller. Bei künstlich erzeugtem Knochengewe- be sterben bisher die meisten Zellen wegen Sauerstoffmangels ab, bevor sich Blutgefäße bilden können, um sie zu versorgen. Das Team will deshalb ein Druck- verfahren entwickeln, bei dem Kno- chen- und Gefäßzellen im künstlich erzeugten Gewebe einen heteroge- nen Verbund bilden. Dadurch wäre die Versorgung der Knochenzellen mit Nährstoffen und Sauerstoff durch integrierte Gefäße jederzeit gewähr- leistet. In vitro gezüchtete Endothel- zellen – das sind Zellen, die unter anderem die Innenwand von Blutge- fäßen auskleiden – werden dazu als Bausteine an vordefinierten Stellen des Gewebes eingebracht. Die dafür nötige Technik entwi- ckelt das Team um Koltay, der sich auf kontaktlose Dosier- und Druck- technik und 3-D-Druckverfahren spezialisiert hat. Die Methode zum Drucken von Zellen in Form von frei fliegenden Mikrotropfen ist von der Tintenstrahltechnik abgeleitet. Beim so genannten „direct writing“ in drei „We make 3-D“ lautet der Firmen- slogan von Solify, einem Start-up, das 2012 von vier Studenten der Universität Freiburg gegründet wur- de. Das junge Unternehmen bot an, gewünschte Objekte – von Vasen und Lampenschirmen bis zu Spiel- zeug und Schmuck – nach individu- ellen Vorgaben zu gestalten und den Kundinnen und Kunden fertig ausge- druckt zu liefern. Die ersten Jahre lebten die Jung- unternehmer mit dem Dauergeräusch eines arbeitenden 3-D-Druckers, der Blockflöten, Becher, Schrauben, Möbelminiaturen und Fingerringe aus- spuckte. Jetzt nimmt das inzwischen als auch einfache Einmalkartuschen bestehen aus recycelbarem Kunst- stoff und dosieren ohne Ventil, nur mit Luftdruck. Sie sind kostengünsti- ger und vielseitiger als Tintenstrahl- drucker mit teurem Druckkopf – auch darauf richtet Mülhaupt sein augen- merk. Vielversprechende Möglichkei- ten für den 3-D-Druck täten sich der- zeit auf den Gebieten Gesundheit und Ernährung auf, zum Beispiel mit dem Druck von passgenauen Hörge- räten oder sogar von Nahrung, die kau- und schluckbehinderten Senioren das Essen erleichtert und schmack- haft macht. 3-D-Druck diene längst nicht mehr nur dazu, schnell Proto- typen und Modelle in der frühen Ent- wicklungsphase eines Produkts bereitzustellen. „Es ist eine neue Fertigungstechnik mit enormem Anwendungspotenzial und der Möglichkeit, auf die Bedürf- nisse einzelner Men- schen einzugehen.“ „Schokolade, Zement, Silikon, Protein, Kunststoff, Keramik, Metall, Holz und lebende Zellen – das alles kann man mit unserem 3-D-Drucker drucken“, zählt Prof. Dr. Rolf Mülhaupt, Direktor des Freiburger Materialforschungszentrums (FMF) der albert-Ludwigs-Universität, auf. aus diesen und anderen Materialien lassen sich am Computer Objekte kon- zipieren und ohne Umweg über den aufwendigen Formenbau direkt mit ei- nem 3-D-Drucker fertigen – vom Flug- zeugersatzteil bis zur Zahnspange und der mit Vitaminen angereicherten Mahl- zeit für Seniorinnen und Senioren. Uni- versell einsetzbar, schnell und kreativ: Das dreidimensionale Drucken hat Zu- kunft, davon ist der Forscher überzeugt. Bereits 1998 experimentierte Mül- haupt als einer der ersten Wissen- schaftler an einer deutschen Universität mit dem 3-D-Druck. Sein Interesse ging über die damals übliche schnelle Ferti- gung von Prototypen hinaus. Im Jahr 2000 brachte er seine erste Veröffentli- chung zum Thema „Desktop-Fabrikation“ heraus. Drei Jahre später hatte er am von ihm geleiteten FMF, das dieses Jahr sein 25-jähriges Bestehen feiert, einen 3-D-Drucker entwickelt, der seit- her kommerziell genutzt und industriell weiterentwickelt wird. Mülhaupt befasste sich auch schon früh mit dem 3-D- Druck von Biomaterialien und arbeitete in einem Projekt mit der Freiburger Zahnklinik zusammen. Heute interessieren den Material- spezialisten vor allem komplexe „multi- funktionale Mehrkomponentensysteme“. Das sind zum Beispiel Energiespeicher- systeme, die bei herkömmlicher Fer- tigung mehrere Produktions- stufen erfordern. Unlängst hat seine Gruppe schnell ladbare Superkondensa- toren und sogar eine kom- plette Polymerbatterie in nur einem Druckschritt erzeugt. Mülhaupts 3-D-Drucker kann gleichzeitig ver- schiedene Materialien über mehrere Düsen drucken. Sowohl Düsen andreas Fuchs, Bastian Moritz und Mario Villavecchia (von links) bieten Schulungen und Coachings zum 3-D-Druck an. FOTO: KLAUS POLKOWSKI So groß wie ein Zuckerwürfel: Das gedruckte Gewebe enthält Knochen- zellen (grün) und Endothelzellen (rot) – also Zellen, die unter anderem die In- nenwand von Blutgefäßen auskleiden. QUELLE: IMTEK/UNIVERSITÄT FREIBURG Modell einer Polymerbatterie: Mit einer Drucknadel wird die Graphen- Paste in die richtige Form gebracht. FoTo: THoMaS KUNz Ob Schokolade oder Hörgeräte: Rolf Mül- haupts 3-D-Drucker ist ein Alleskönner. FOTOS: STOCKPHOTO-GRAF, BÄCKERSJUNGE/BEIDE FOTOLIA Passgenau und effektiv: Anwendungsgebiete für das neue Druckverfahren sehen die Forscher zum Beispiel bei der Behandlung von Knochenkrebs, in der Tumortherapie und in der Unfallchirurgie. FoTo: ITSMEJUST/FoToLIa Mit Vitaminen angereicherte Mahlzeiten, Hörgeräte, Knochen: Der 3-D-Druck eröffnet der Wissenschaft neue Welten. Verena Adt stellt drei Projekte der Universität Freiburg vor. Denken in neuen Dimensionen Gebeine und Gewebe Ein Team aus Medizinern und Ingenieuren will Knochen mit dem 3-D-Drucker fertigen Pionierarbeit jenseits von Prototypen Rolf Mülhaupt gehört zu den ersten Forschern in Deutschland, die sich mit 3-D-Druck beschäftigten Macher, Tüftler, Bastler Das von Freiburger Studenten gegründete Unternehmen „Solify“ verändert sein Businessmodell Fertigungstechnik mit enormem Anwendungspotenzial und der Möglichkeit, auf die Bedürf- Das sind zum Beispiel Energiespeicher- systeme, die bei herkömmlicher Fer- tigung mehrere Produktions- plette Polymerbatterie in nur einem Druckschritt erzeugt. Mülhaupts 3-D-Drucker kann gleichzeitig ver- schiedene Materialien über mehrere Düsen drucken. Sowohl Düsen Ob Schokolade oder Hörgeräte: Rolf Mül- haupts 3-D-Drucker ist ein Alleskönner. FOTOS: STOCKPHOTO-GRAF, BÄCKERSJUNGE/BEIDE FOTOLIA plette Polymerbatterie in nur 052015

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