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uni'leben 06-2012

06 2012 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 10 von Ulla Bettge Der Linguist Hans-Martin Gauger ist fasziniert von üblen Beschimpfun- gen. Er benutzt sie aber ausschließ- lich zu Forschungszwecken. In welche Richtung das gehen kann, zeigt der Titel seines 2012 erschienenen Buchs „Das Feuchte und das Schmutzige. Kleine Linguistik der vulgären Sprache“ auf den ersten Blick. Schon während des Studiums der Romanistik, Germanistik und Anglis- tik fiel dem Philologen auf, dass das Beschimpfungsvokabular verschiede- ner Sprachen sehr unterschiedlich ist. Schockiert war er vor allem von Belei- digungen mit sexuellem Hintergrund, die in den romanischen Sprachen wie Französisch, Italienisch oder Spanisch üblich sind. „Warum der Zugriff auf das Sexuelle, um Negatives zum Ausdruck zu bringen?“ Der Sprachforscher macht das deutlich am Beispiel des franzö- sischen Wortes „baiser“, das „zärtlich küssen“ heißen, aber auch eine Bedeu- tung weit unter der Gürtellinie haben kann. Fäkale Insel Deutschland Wahrnehmungen dieser Art inspirier- ten den Spezialisten, der von 1969 bis 2000 als Professor an der Universität Freiburg lehrte, bei Beschimpfungen in 15 europäischen Sprachen näher hinzuschauen. Das Ergebnis hat den heute 77-Jährigen überrascht – über- all wird vorwiegend mit sexuell konno- tierten Begriffen ausgeteilt, mit einer Ausnahme: „Deutsch ist die einzige unter diesen Sprachen, in der anale und fäkale Begriffe zur negativen Kenn- zeichnung benutzt werden.“ Sonder- gosse, das Schmutzige also. Nicht nur auf der „fäkalen Insel Deutschland im Meer des Sexuellen“, sondern über- all zu beobachten ist dagegen – wenig überraschend – die männliche Domi- nanz beim Pöbeln. „Männer schimpfen mehr, das ist ihr verbales Imponierge- habe. Allerdings holen die Frauen mit zunehmender Emanzipation auch in diesem Sektor auf.“ Mist. Einen Enkel würde der wortgewandte Wissenschaft- ler lieber nicht bei der Lektüre von „Das Feuchte und das Schmutzige“ überra- schen. „Er würde mir dann vielleicht Fragen stellen, die ich nicht so gerne beantworten würde.“ Beim europaweiten Vergleich der Unflätigkeiten wurde dem Fluchfor- scher schnell klar, „dass Russen da am gröbsten zuschlagen“. Zwar gebe es auch im Deutschen sexuell har- te Begriffe, sie würden aber nicht im übertragenen Sinn angewendet. „Das Deutsche ist nicht fein, aber eine un- gekünstelte, ehrliche Sprache – daher wohl auch der Begriff der deutschen Offenheit.“ Ob die auch witzig sein kann, untersucht Gauger derzeit für ein zweites Buch zum Thema Sprachwitz. Sein erstes Witz-Buch mit dem Titel „Das ist bei uns nicht Ouzo: Sprachwit- ze“ ist seit 2006 auf dem Markt, und an seinem Arbeitsplatz stapeln sich schon wieder Aktenordner voller Scherze, die tendenziell ebenfalls Männersache sind. „Klassischerweise zur Entspan- nung, zum Beispiel abends nach langen Kongresstagen.“ Pilgern auf dem Jakobsweg Einen Alltag ohne Musik kann sich der Sprachanalytiker nicht vorstellen. „Zur Beruhigung und Abschirmung“ hört er parallel zur Spracharbeit alle mög- lichen Musikstücke – von Klassik bis Jazz –, die er aus dem Radio auf mehr als 600 Kassetten aufgenommen hat. Aber keinen Techno. „Damit kann ich nichts anfangen.“ Und beim Zeitung- lesen wird das Radio ausgeschaltet. „Das würde mich zu sehr ablenken.“ Konzentration der ganz anderen Art praktizierten Gauger und seine spani- sche Ehefrau, als sie vor acht Jahren auf dem Jakobsweg die letzten 176 Ki- lometer nach Santiago de Compostela pilgerten. „Mit 20 bis 30 Kilometern am Tag, überfüllten Pilgerherbergen, dem frühen Aufstehen und sechs bis acht Kilos auf dem Rücken schon eine re- duzierte Lebenserfahrung – und ein unvergessliches Erlebnis.“ Das einer wie Gauger nicht wirk- lich braucht. Hat er doch schon re- gelmäßige Auftritte in der Akademie für Sprache und Dichtung in Darm- stadt und der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, die ihm großen Spaß machen. „Eigentlich wollen wir Profs nur unsere Ruhe haben, wir haben ja das Privileg, dass wir un- ser Hobby zum Beruf gemacht haben. Deshalb muss man Wissenschaftlern auch nicht danken für ihre wissen- schaftliche Arbeit.“ Der besondere Reiz am Schreiben und sein besonde- rer Ehrgeiz bestehen für den Emeritus darin, wissenschaftliche Inhalte so zu verarbeiten, dass sie zugleich litera- risch und für Laien lesbar sind. Wis- senschaft und Literatur „aufpeppen“, wie er es nennt. Das kann für den Autor zur Sucht werden. „Wir greifen zum Buch wie andere zur Flasche.“ Fluchforscher: Hans-Martin Gauger hat festgestellt, dass die Russen beim europaweiten Vergleich der Unflätigkeiten am gröbsten zuschlagen. Foto: Bettge menschen www.zuv.uni-freiburg.de/ service/wein von Anna-Sophia Voulkidis Wenn Wasserrohre brechen, Mieter im Aufzug feststecken und Hei- zungen einfrieren, ist sie zur Stelle. Sie kümmert sich um ruinierte Teppichbö- den, Schimmelbefall und Trinkwasser- untersuchungen, schlichtet Nachbar- schaftsfehden und sorgt dafür, dass die Brandschutzbestimmungen eingehalten werden. Die Rede ist von Ines Nagel aus der Abteilung für Stiftung und Ver- mögen der Universität Freiburg. Seit vielen Jahrhunderten besitzt die Universität Stiftungsvermögen, das überwiegend aus dem Nachlass von Bürgerinnen und Bürgern stammt, die sich der Universität eng verbunden fühlten. Die Stiftungs- und Vermögens- verwaltung sorgt für die Erhaltung und Vermehrung des Vermögens, dessen Erträge allesamt Lehre und Forschung zugutekommen. Nagel kümmert sich um die Immobilien, den Wald, die Weinberge und das Kapital. Doch wer sie sich mit dem Rechenschieber über Bilanzen brütend vorstellt, irrt gewaltig. Ein Stern für den Universitätswein Über die Jahre hat sie sich ein gut funktionierendes Netzwerk von Ge- schäftskontakten aufgebaut. Ihr Alltag ist bestimmt von Grundstücksbege- hungen, Besprechungen mit Garten- architekten, Dämmstoffexperten und Energieagenturen. „Genau diese Viel- falt reizt mich“, sagt die Verwaltungs- mitarbeiterin. Als sie Mitte der 1980er Jahre ihre erste Stelle an der Fakultät für Physik der Universität Freiburg an- trat, hatte sie kaum damit gerechnet, „eines Tages für eine Tennisanlage und ein Fachschaftshaus auf dem Schauinsland verantwortlich zu sein, geschweige denn für einen Wald samt Fischweiher“. Als Repräsentantin des Weinguts der Albert-Ludwigs-Universität arbeitet Nagel eng mit dem Winzerhof Ebrin- gen im Markgräflerland zusammen, der den Wein der Universität anbaut. Seit zehn Jahren ist sie für die Ver- marktung und Präsentation des Weins zuständig. Regelmäßig informiert sie sich vor Ort über den Zustand der Rebstöcke und die Qualität des ak- tuellen Jahrgangs. Dann sitzt sie in den alten Steingewölben von Keller- meister Klaus Ruh und fachsimpelt mit ihm über Rebschnitt, Lössböden und Öchslezahlen. Im Herbst 2012 zeich- nete die Jury des renommierten Wein- wettbewerbs AWC Vienna das Weingut der Universität mit einem Stern aus. Ruhe bewahren und gut zuhören Beliebt ist der Weinverkauf im Durchgang des Kollegiengebäudes III, der fast jeden Monat stattfindet. „In der Weihnachtszeit machen wir das größ- te Geschäft. Da verkaufen wir jeden Tag, eineinhalb Wochen lang.“ Auf ge- stärkten weißen Leintüchern sind die Flaschen aufgebaut. Hinter dem Tisch mit Traubenbrand, Kabinettwein und Pinot Noir steht Ines Nagel – berät und verkauft, lächelt und trotzt der Kälte. Eben noch in ein Gespräch mit einem russischen Studenten vertieft, der ihr von seinen Erfahrungen in Deutsch- land berichtet und sie samt Weinstand auf seinem Smartphone verewigt, wird sie von einem betrunkenen Obdachlo- sen harsch zur Rede gestellt: „Ey, sag mal, was soll denn das? Der Wein ist viel zu teuer. Voll die Unverschämtheit!“ Gelassen weist sie ihn auf den preis- günstigsten Wein im Sortiment hin, den „Freiburger Kapellenberg“, einen Spätburgunder für 6,20 Euro. Die Gabe, Ruhe zu bewahren, und die Kunst, Menschen gut zuzuhören: Beides hat sich schon während Ines Nagels langjähriger Tätigkeit im Stu- dentensekretariat der Universität in den 1990er Jahren bewährt. Wenn leicht desorientierte Erstsemester nach Hörsälen suchen und Studie- rende sich nach verpasster Frist zum neuen Semester rückmelden wollen, sind starke Nerven gefragt. Um bei der vielen Arbeit einen klaren Kopf zu bewahren, unternimmt Ines Nagel in ihrer Freizeit ausgedehnte Radtouren mit ihrem Lebensgefährten, kocht und lässt sich bekochen – und trinkt ab und zu gern ein Viertele. Weinbestellung: Ines Nagel 0761/203-4356 ines.nagel@zv.uni-freiburg.de Traubenbrand, Kabinettwein und Pinot Noir: Den Universitätswein verkauft Ines Nagel regelmäßig im Kollegiengebäude III. Bestellen kann man ihn bei ihr jederzeit. Foto: Seeger Die Weinverwalterin Ines Nagel betreut Wohnungen, einen Wald mit Fischweiher und die Reben der Universität Freiburg Wörter unterm Gürtel Hans-Martin Gauger hat Beschimpfungen in 15 europäischen Sprachen erforscht

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