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uni'leben 01-2013

Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de von Claudia Füßler Stellen Sie sich vor, der Arzt klebt Ihnen ein kleines Pflaster auf die Haut. Und das misst, ob Sie Fieber haben, wie viel Sauerstoff sich gerade in Ihrem Blut befindet, wie es um Ihre Hautfeuchtigkeit bestellt ist, wo Sie verspannt sind, und vielleicht erstellt es auch gleich noch ein EKG.“ Hans Zappe klingt ganz nüchtern, fast so, als würde er einen Einkaufszettel diktieren. Doch was sich für Außenstehende wie ferne Utopie anhört, ist für den 51-jährigen Professor für Mikrooptik nur das nächste Ziel auf der To-do- Liste: dünne, flexible Folien aus Po- lymeren zu entwickeln, die mithilfe von integriertem Licht verschiedene Eigenschaften messen können – Druck zum Beispiel, Temperatur oder chemische Substanzen. Die Fachwelt bezeichnet das als „pla- nare optronische Systeme“. „Planar“ steht für die Ebenheit, „optronisch“ meint die kombinierte Anwendung von Licht und Optoelektronik. Jede winzige Veränderung in den Folien wird in optische Signale umgewan- delt und kann so gemessen werden. Damit wird sich Zappe in den kommenden Jahren intensiv be- schäftigen. Der Wissenschaftler vom Institut für Mikrosystemtechnik der Universität Freiburg (IMTEK) ist Ko-Sprecher des 2013 gestar- teten Sonderforschungsbereichs (SFB) „Planare optronische Sys- teme“. Das auf zwölf Jahre ange- legte Vorhaben wird von der Deut- schen Forschungsgemeinschaft in den nächsten vier Jahren mit 9,8 Millionen Euro gefördert. Dann müssen die Wissenschaftlerin- nen und Wissenschaftler erste Ergebnisse vorlegen, um weiter Unterstützung zu erhalten. Die Freiburgerinnen und Freiburger arbeiten nicht allein an dem Pro- jekt: Gemeinsam mit der Universi- tät Hannover übernehmen sie die Koordination des SFB, unterstützt werden sie von den Universitäten Braunschweig und Clausthal. Seit Anfang des Jahres hat Zappe die neue Gisela-und-Erwin-Sick-Pro- fessur für Mikrooptik inne, die das Waldkircher Unternehmen Sick für zehn Jahre mit insgesamt ei- ner Million Euro fördert. „Wir legen zwar Rechenschaft über das ab, was wir mit dem Geld alles ma- chen, doch es sind keinerlei Be- dingungen daran geknüpft“, betont Zappe. „Die Freiheit von Lehre und Forschung wird gewahrt.“ Hauchdünne Folie mit drei Schichten „So ein bisschen wie dieses Glitzergeschenkpapier zu Weih- nachten wird es aussehen“, sagt der Mikrooptiker, wenn er gebeten wird, das angestrebte Endprodukt zu beschreiben. „Nur dass wir un- sere Folien mit Funktionalität statt mit schönen bunten Mustern aus- statten.“ In der hauchdünnen Folie sollen großflächig physikalische Elemente – Messpunkte mit opti- schen Sensoren – untergebracht werden. Unterbringen bedeutet: Die Elemente werden gedruckt. Die Expertinnen und Experten da- für sitzen in Hannover. „Einfache Strukturen können wir heute schon drucken. Jetzt gilt es aber mehrere Schichten übereinanderzubringen. In einer könnte das Licht erzeugt werden, in einer zweiten wird es weitergeleitet, in der dritten sitzen die physikalischen Elemente“, er- klärt der Forscher. Gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen an den insgesamt fünf Freiburger IMTEK-Lehrstühlen wird er vor allem für die optischen Sensoren und die Polymere zuständig sein. Diese Kunststoffe haften nur un- gern aneinander und lassen sich schon gar nicht sorgsam über- einanderschichten. „Wir brauchen aber eine gewisse Dicke, um das optische Feld führen zu können“, sagt Zappe. Deshalb tüfteln sei- ne Kollegen zum einen an neuen, modernen Polymeren und zum an- deren an Techniken, um diese we- nige Mikrometer dünnen Schichten miteinander zu verbinden. Zappe hat Spaß an der He- rausforderung, das merkt man an jedem Satz. Und er ist zuver- sichtlich, dass das Projekt gelin- gen wird: „Wir haben uns vorher sehr genau angeschaut, welche Risiken es gibt, und ich denke, wir werden für jedes möglicherweise auftauchende Problem eine Lö- sung finden.“ Eines dieser Proble- me wird sein, passende Sensoren für die Polymerschichten zu entwi- ckeln. Ähnliche Elemente werden zwar bereits in anderen Techniken benutzt, müssen jedoch für die planaren optronischen Systeme entsprechend angepasst werden. „Außerdem wollen wir nicht ein- fach Leuchtdioden aufkleben. Das Licht soll in den Polymeren selbst erzeugt werden.“ Auf Halbleitern funktioniert das bereits, warum also nicht auch mit Polymeren? Geruchlose Gase aufspüren Zappe ist seit 2000 an der Uni- versität Freiburg, er hat das IMTEK mit aufgebaut. Zuvor hat er am Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik in Freiburg und am Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique in Zürich/ Schweiz geforscht. Bis heute pen- delt er wegen seiner Familie täg- lich aus der Schweiz nach Freiburg und zurück. „Ich schaffe nirgends so viel konzentriert am Stück weg wie im Zug.“ Das Reisen liegt ihm im Blut, denn Zappes Leben ist multinational geprägt: in Frank- reich geboren, die Mutter Deut- sche, der Vater aus Tschechien, aufgewachsen in den USA, Studi- um an renommierten Hochschulen wie dem Massachusetts Institute of Technology und der University of California in Berkeley. Anschlie- ßend kam er zum Arbeiten nach Deutschland. Er selbst bezeichnet sich als Schweizer Amerikaner. Wirklich „zu Hause“ fühlt er sich am ehesten in der Schweiz. „Der Lebensstil und die Mentalität – das passt zu mir.“ Im Rahmen des SFB tüftelt Zappe mit einem fächerübergrei- fenden Team an vier Standorten in Deutschland. Mikrooptiker und Physiker, Elektroingenieure, Che- miker und Maschinenbauer: Sie alle arbeiten an der intelligenten Folie. Tapezierte man mit ihr die Wände eines Labors, könnte sie zum Beispiel frühzeitig erkennen, ob sich geruchlose giftige Gase in der Luft befinden, und die La- bormitarbeiterinnen und -mitarbei- ter warnen. Auf Rotorblätter von Windrädern oder die Tragflächen von Flugzeugen geklebt, könnte die Folie millimetergenau erfassen, wie sich Druck und Spannung da- rauf auswirken – Erkenntnisse, aus denen die Industrie lernen könn- te. Auch in Textilien ließe sich die Folie einweben: „Das könnte man medizinisch nutzen, zum Beispiel, um die Temperaturverteilung im Körper zu messen“, sagt Zappe. All das wäre möglich mit Licht – vom sichtbaren bis hin zum In- frarotbereich. Aber warum eignet sich ausgerechnet Licht so gut zum Messen? „Es ist viel weniger störanfällig als Elektrizität. Da gibt es elektrische Felder, die gefähr- lich sein können. Das entfällt beim Licht. Außerdem lassen sich mit Licht mehr Messgrößen erfassen als mit Strom. Kurzum: Es ist ein- fach eine tolle Sache.“ 01 2013 Forscher tüfteln an einer Folie, die Druck,Temperatur oder chemische Substanzen mithilfe von Licht messen soll Bündeln: Fächer bekommen neue Fakultätsstruktur > S. 2 Beraten: Christina Schoch leitet Service Center Studium > S.12 Flexibel und funktional: So ähnlich soll die Folie aussehen, die Hans Zappe mit seinen Partnern im Sonderforschungs- bereich entwickelt. In Textilien eingewebt, könnte das Produkt zum Beispiel die Temperatur- verteilung im Körper erfassen. FOTO: THOMAS KUNZ Befragen: Soziologin untersucht Kriminalität im Alter > S. 5 Glitzerpapier aus dem Labor von Claudia Füßler tellen Sie sich vor, der Arzt klebt Ihnen ein kleines Pflaster auf die Haut. Und das misst, ob Sie Fieber haben, wie viel Sauerstoff sich gerade in Ihrem Blut befindet, gen wird: „Wir haben uns vorher sehr genau angeschaut, welche Risiken es gibt, und ich denke, wir werden für jedes möglicherweise auftauchende Problem eine Lö- Forscher tüfteln an einer Folie, die Druck,Temperatur oder chemische Substanzen mithilfe von Licht messen soll Bündeln: Fächer bekommen neue Fakultätsstruktur > S. 2 Befragen: Soziologin untersucht Kriminalität im Alter > S. 5 Glitzerpapier aus dem Labor

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