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uni'leben 06-2013

06 2013 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 2 Die synthetische Biologie lässt In- genieurinnen und Ingenieure an Zel- len schrauben. Damit revolutioniert sie die biologische Forschung im 21. Jahrhundert. Mathilde Bessert- Nettelbeck hat Wilfried Weber, Pro- fessor für Synthetische Biologie, und Dr. Joachim Boldt, Privatdozent für Ethik und Geschichte der Me- dizin, gefragt, welche Hoffnungen und ethischen Bedenken sie mit Bio- design verknüpfen. uni’leben: Herr Weber, Herr Boldt, oft wird die synthetische Biologie mit einem „Baukasten des Lebendi- gen“ verglichen. Ist das ein passen- des Bild? Wilfried Weber: Legobausteine, die sich ständig in ihren Eigenschaften ver- ändern, wäre vielleicht passender. Wenn wir versuchen, biologische Systeme mit bestimmten Eigenschaften zu entwi- ckeln, müssen wir die ständige Verän- derung der Systeme bedenken. Sie sind nun mal lebendig, und wir verstehen al- les noch nicht perfekt. Wir wenden des- wegen Designmethoden an, mit denen Ingenieure arbeiten. So können unsere Erfindungen, zum Beispiel von Licht ak- tivierte Genschalter, so robust gestaltet werden, dass auch diese veränderlichen Bausteine noch zusammenpassen. Joachim Boldt: Das modulare Bild stimmt: Lebensbausteine, so genann- te Biobricks, zu entwickeln ist Teil der synthetischen Biologie. Auch der sprachliche Vergleich mit dem Bauen und Erfinden, der diese Forschung oft beschreibt, stimmt. Wissenschaftsge- schichtlich lässt sich das Aufkommen der synthetischen Biologie mit frühen Entwicklungen in der Chemie verglei- chen. Am Anfang wurde in der Chemie nur analysiert. Als Chemikerinnen und Chemiker die Zusammensetzung der Materie gut verstanden, gingen sie dazu über, neue Stoffe zu synthetisieren. Wilfried Weber: Die synthetische Biologie steht jetzt da, wo die Chemie vor circa 180 Jahren war, als Friedrich Wöhler zum ersten Mal Harnstoff syn- thetisierte. Joachim Boldt: Aber wie weit kann man diese Parallelen zur Chemie trei- ben? Es geht um lebende Organismen. In der kontrollierten Umgebung eines Labors mag es ähnlich vorhersehbar wie in der Chemie zugehen, doch im großen Maßstab und in variabler Umgebung ist es schwer zu kontrollieren, wie ein Or- ganismus reagiert oder sich entwickelt. Deswegen ist es jetzt wichtig, diese Dis- kussion zu führen und ethisch zu prüfen, was reguliert werden sollte. Das sind wir gemeinsam in dem Projekt Engineering Life angegangen. uni’leben: Im September 2013 ha- ben Forscherinnen und Forscher bei einer Tagung ihre Ergebnisse vorgestellt. Was war das Ziel des Projekts? Joachim Boldt: Es hat geprüft, wel- che ethischen, rechtlichen und sozialen Fragen die synthetische Biologie auf- wirft. Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen, unter anderem vom Karlsru- he Institut für Technologie, befragten wir Wissenschaftlerinnen und Wissen- schaftler, welche Entwicklungen realis- tisch erscheinen – um dann abzuwägen, wie solche zukünftigen Entwicklungen ethisch zu bewerten wären. uni’leben: Was soll die syntheti- sche Biologie entwickeln? Wilfried Weber: In der synthetischen Biologie ging es am Anfang um das, was technisch möglich war. Jetzt bilden sich zwei Tendenzen aus: Besonders in den USA versuchen Biologinnen und Biologen, Biofuels zu entwickeln. Prof. Dr. Wolfgang Hess und Prof. Dr. Anne- gret Wilde vom Institut für Biologie III forschen zum Beispiel in Freiburg an Kraftstoffen aus Mikroalgen. Außerdem ist es ein Ziel der synthetischen Biologie, Medikamente effizienter zu entwickeln. Wir bilden aber auch Systeme nach, um sie besser verstehen zu können. Wir erforschen, welche Signale eine Zelle braucht, damit sie funktioniert. Das ist auch ein Fokus unseres Exzellenzclus- ters BIOSS – Centre for Biological Sig- nalling Studies. Joachim Boldt: Werte und Fragen unterscheiden sich, je nachdem, ob es sich um Grundlagenforschung oder um anwendungsnahe Forschung handelt. Geht es um die Grundlagen, stellen sich eher philosophische Fragen. Wenn Wissenschaftler Organismen oder Teile von Organismen nachbilden, erschaffen sie dann Leben? Erschafft sich Leben? Welche Rolle soll und darf der Mensch dabei spielen? Kann man Leben wie einen Gegenstand herstellen? Und ist Leben eine Ressource, aus der sich der Mensch bedienen kann? Wilfried Weber: Vom Erschaffen von Leben sind wir in der synthetischen Bio- logie sehr weit weg. Die Diskussion ist auch nicht neu: Die gleiche Frage stellte sich die Öffentlichkeit auch, als erstmals organische Moleküle wie Harnstoff er- zeugt wurden oder in den Anfängen der Gentechnik vor mehr als 30 Jahren. Joachim Boldt: Trotzdem sind die Fragen philosophisch sehr interessant. In der angewandten Forschung stellen sich eher Sicherheitsfragen. Diese sind zum großen Teil durch das Gentechnik- gesetz und das Infektionsschutzgesetz abgedeckt. Ich frage mich aber, ob so- ziale Maßnahmen nicht zielführender als die synthetische Biologie sind, wenn es um globale Probleme wie die Welt- ernährung geht. Viele ignorieren den Ursprung des Problems und suchen schnelle Biodesign-Lösungen. Wilfried Weber: Die synthetische Biologie ist sicherlich kein Allheilmittel. Ich denke, sie kann trotzdem einen Teil zur Lösung globaler Probleme beitra- gen. Dafür müssen die Produkte aber leicht zu bedienen und an die Kultur an- gepasst sein, sonst wird es nichts helfen. Joachim Boldt: Eine andere Frage ist, ob man die Forschung überhaupt unter einen solchen Anwendungsdruck stellen will. Herr Weber, Sie haben neu- lich einen Preis vom World Economic Forum bekommen. Das zeigt, wie nahe dieser Forschungszweig der Wirtschaft ist. Was diese Disziplin besonders für junge Forscher attraktiv macht, ist der Do-it-yourself-Gedanke: Jeder kann frei von Zwängen neue Erkenntnisse gene- rieren. Die synthetische Biologie ähnelt hier den Informationstechniken. Aber schränken wirtschaftliche Überlegungen nicht genau diese Freiheit ein? Wilfried Weber: Da die synthetische Biologie den Schnittpunkt zwischen Bio- und Ingenieurswissenschaft darstellt, ist die Anwendung nicht wegzudenken. Entwickelt werden jedoch Werkzeuge, mit denen Wissenschaftler ins Blaue for- schen können. Auch der Do-it-yourself- Gedanke ist übertrieben. Um auf diesem Gebiet erfolgreich zu forschen, kommen wir um Geräte im Wert von Einfamilien- häusern nicht herum. So genannte Bio- hacker können in der Garage mit wenig Mitteln gerade einmal ein Darmbakteri- um zum Leuchten bringen, mehr nicht. Aber die Faszination ist da, besonders bei den Studierenden. Ich versuche ihnen bei aller kreativen Kraft aber zu vermitteln, wie langwierig Forschung ist. uni’leben: Es kursiert die Idee von synthetischen Weihnachtsbäumen, die nach demselben biologischen Prinzip wie das Glühwürmchen leuchten, ganz ohne Strom. Steht so etwas bald in unseren Wohnzim- mern? Wilfried Weber: Nein. Nicht nur, dass die Forschung in der synthetischen Biologie davon noch weit entfernt ist, es würde sich auch nicht rentieren. Ir- gendwo muss die Energie herkommen. Elektrizität ist viel effektiver als chemi- sche Energie, die das Licht liefern würde, wenn man Glühwürmchenproteine in die Zellen einfügen würde. Auch müsste die Pflanze die Energie erst erzeugen, und die Verluste wären viel höher. Joachim Boldt: Die Frage ist, ob sol- che Erfindungen überhaupt gewünscht sind. Immerhin gab es ein erfolgreiches Crowdfunding-Projekt für die Entwick- lung von Bäumen, die wie Straßenlater- nen leuchten sollen. aktuell Das Walter Eucken Institut Freiburg feiert 2014 sein 50-jähriges Beste- hen. Seit seiner Gründung 1954 trägt es zur Debatte um die ordnungspo- litischen Grundlagen der Marktwirt- schaft bei und ergründet, wie sich ein Rahmen für wirtschaftliches Handeln setzen lässt. Am Freitag, 17. Janu- ar 2014, veranstaltet das Institut das Symposium „Die Zukunft der Sozialen Marktwirtschaft – Ordnungspolitische Perspektiven“. Bei den Vorträgen ab 9.15 Uhr in der Aula, Kollegienge- bäude I, Platz der Universität, 79098 Freiburg, und der Podiumsdiskussion ab 16.15 Uhr im Audimax, Kollegien- gebäude II, Platz der Alten Synagoge, 79098 Freiburg, stellen Referenten die Frage nach der Zukunft der sozi- alen Marktwirtschaft – über aktuelle und tagespolitische Debatten hinaus: Ist die gegenwärtige Wirtschaftsord- nung tragbar? Ist sie reformbedürf- tig? Welche grundlegenden Entwick- lungsperspektiven gibt es? Ansätze aus unterschiedlichen wissenschaft- lichen Disziplinen sollen dazu beitra- gen, Antworten zu finden: Als Refe- renten dabei sind unter anderem der Karlsruher Philosoph Prof. Dr. Peter Sloterdijk, der Bielefelder Wirtschafts- historiker Prof. Dr. Werner Abelshau- ser, Kardinal Dr. Reinhard Marx, Erz- bischof von München und Freising, und Prof. Dr. Lars P. Feld, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftspolitik und Ordnungsökonomik der Albert- Ludwigs-Universität und Direktor des Walter Eucken Instituts Freiburg. Die Veranstaltung richtet sich an alle Interessierten. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Realistischer Ausblick Wilfried Weber und Joachim Boldt diskutieren über Chancen und Grenzen der synthetischen Biologie Die synthetische Biologie entwickelt neue Werkzeuge, um ins Blaue zu forschen, sagt Wilfried Weber. FOTOS: PATRICK SEEGER Viele suchen schnelle Biodesign-Lösungen – soziale Maßnahmen könnten aber zielführender sein, wenn es um Probleme wie die Welternährung geht, findet Joachim Boldt. Abteilung Alumni ist umgezogen Die Abteilung Alumni der Albert- Ludwigs-Universität hat ihre neuen Räume im Haus „Zur Lieben Hand“, Löwenstraße 16, 79098 Freiburg, be- zogen. Das Alumni-Büro sowie die Geschäftsstelle des Fördervereins Alumni Freiburg e.V. befinden sich seit Ende Oktober 2013 auf dem Univer- sitätscampus in der Innenstadt. Zuvor hatte die Abteilung Räume im Rekto- rat am Fahnenbergplatz. Im Haus „Zur Lieben Hand“ sind außerdem die Wis- senschaftliche Gesellschaft sowie der Verband der Freunde der Universität Freiburg untergebracht. Damit wird das Gebäude zum „Haus der Förderer“. Es gehörte Mitte des 15. Jahrhunderts zum Kloster Sankt Trudpert im Müns- tertal. 1769 wurde der Neubau fertigge- stellt. Seit 1983 ist das Haus im Besitz der Universität. Die Universität Freiburg hat im ersten Obergeschoss des Gebäudes Erbprin- zenstraße 12 eine Lounge für Dokto- randinnen und Doktoranden eröffnet. Alumnae und Alumni haben das Vorha- ben mit knapp 24.000 Euro finanziert. In der Lounge können sich Doktoran- den über Promotion und Karrierewege informieren, beraten lassen und sich austauschen. Eine Ansprechperson der Promovierendeninitiative Prodoc und das Sekretariat des Nachwuchsnetz- werkes SciNet sind erste Anlaufstellen für Interessierte. Die Internationale Gra- duiertenakademie bietet in dem Gebäu- de ebenfalls Beratungen an. Neue Lounge für Doktoranden www.alumni.uni-freiburg.de Die neuen Büros der Abteilung Alum- ni befinden sich im Haus „Zur Lieben Hand“ neben dem Kollegiengebäude III. FOTO: MICHAEL SPIEGELHALTER www.prodoc.uni-freiburg.de www.scinet.uni-freiburg.de www.iga.uni-freiburg.dewww.walter-eucken-institut.de Das Walter Eucken Institut feiert Jubiläum

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