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uni'leben 05-2012

Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de von Rimma Gerenstein Der Praxistest beginnt am frühen Morgen in der Georges-Köhler- Allee. Aus ganz Deutschland sind Journalistinnen und Journalisten an- gereist und zum Campus der Tech- nischen Fakultät gekommen – we- gen Obelix. Klobig und kastenförmig wirkt er mit seinen 100 Kilo, die auf eine Größe von 1,70 Meter verteilt sind. Trotzdem bewegt er sich er- staunlich leicht auf den Rädern unter seinem Oberkörper. Reporter rich- ten ihre Kameras auf den Roboter, strecken Forschern Mikrofone hin, fotografieren, kritzeln Stichworte in ihre Notizblöcke. Die Doktoranden Bastian Steder, Rainer Kümmerle und Michael Ruhnke versammeln sich um Obelix und heben seinen Seitenflügel an, unter dem eine Tas- tatur und ein Monitor zum Vorschein kommen. Mit ein paar Handgriffen machen sie ihn startklar. „Wir hoffen nur, dass er in der Innenstadt nicht in ein Bächle rollt. Sonst müssten wir ihm eine Roboterfrau bauen, die er heiraten kann“, scherzt Wolfram Burgard, Informatikprofessor an der Universität Freiburg. Mit Hitze kommt Obelix gut zu- recht. Sogar an Augusttagen, an denen das Thermometer bis zu 38 Grad anzeigt. Dafür sind Baustel- len und Reklameschilder für ihn ein Problem – genauso wie das Kopfsteinpflaster in der Stadtmit- te und die aufdringlichen Tauben, die einfach nicht wegfliegen. Aber auf Probleme wurde der Roboter vorbereitet. Drei Jahre lang hat ein 15-köpfiges Team unter Burgards Leitung an der Software gearbei- tet. „Wir wollten ein autonomes intelligentes System entwickeln, das sich in einer hochkomplexen Umgebung zurechtfindet“, erklärt der Wissenschaftler das Ziel des internationalen Projekts „European Robotic Pedestrian Assistant“, kurz: EUROPA. Nun soll Obelix zeigen, was die Forscherinnen und Forscher erreicht haben: Selbstständig soll er den Weg von der Technischen Fakultät am Flugplatz bis zum Ber- toldsbrunnen finden, durch Fuß- gängerzonen navigieren, an roten Ampeln stehen bleiben, Autos und Fahrrädern ausweichen, Passan- tinnen und Passanten nicht anrem- peln. Anderthalb Stunden rechnet der Projektleiter für die circa vier Kilometer lange Strecke. Der Robo- ter fährt maximal einen Meter in der Sekunde – Fußgänger legen in der- selben Zeit etwa 1,3 Meter zurück. Orientieren mit 270 Laserstrahlen Eigentlich müsste sich Obelix von Gefahren jeglicher Art fernhal- ten. Neben einem GPS-Empfänger und einer Kamera, die ihm Informa- tionen liefern, senden drei einge- baute Sensoren 270 Laserstrahlen nach oben, unten, links und rechts aus, die seine Umgebung messen. Zehnmal in der Sekunde scannt der Roboter sein Umfeld und erstellt aus diesen Daten eine 3-D-Ansicht. So kann er zum Beispiel Passanten erkennen und berechnen, in wel- che Richtung sie sich wahrschein- lich bewegen werden. Außerdem kennt er sich in der Stadt gut aus: Er plant seine Route mithilfe einer einprogrammierten Karte, die er bei Testfahrten selbst angelegt hat. Darauf hat er auch einige für ihn unüberwindbare Hindernisse eingetragen und gespeichert. Ein paar Informationen, zum Beispiel Straßenübergänge, hat das Team ergänzt. Trotzdem muss Obelix einige He- rausforderungen meistern. Eine der größten erwartet ihn bereits einige Minuten nach dem Start: eine Am- pel. Der Roboter verarbeitet keine Bildinformationen und kann daher keine Farben unterscheiden. Au- ßerdem sieht er nur etwa 50 Meter weit – viel zu wenig, um ein Auto zu erkennen und rechtzeitig aus- zuweichen. In diesen Fällen war- tet Obelix auf die Erlaubnis seiner Macher. Er hält an der Ampel an. „Ist es sicher, weiterzugehen?“ er- scheint auf dem Monitor, der in seinem Rücken eingebaut ist. Die Doktoranden geben ihm bei Grün das Startsignal. Der Roboter ru- ckelt weiter. Hinter ihm ein Tross von etwa 50 Menschen – Journalis- ten, Forscher, Schaulustige, die ihn bis zum Bertoldsbrunnen begleiten. Eine weitere Hürde sind Bordstei- ne, weil Obelix sie zunächst ana- lysieren und ihre Höhe berechnen muss. Aber auch Tauben stellen für ihn eine Schwierigkeit dar – vor allem, wenn sie nicht wegfliegen, sondern auf Futter warten. „Er kann sie schlecht von einem Stein oder Laub auf dem Boden unterschei- den“, erklärt Burgard. „Dann kurvt er ein wenig hin und her, macht ein paar Kapriolen, bis er sich wieder orientieren kann.“ Endspurt auf der Kaiser-Joseph-Straße So regelkonform, wie Obelix durch die Straßen rollt, ist wohl kein Mensch unterwegs. In der Nähe des Universitätsklinikums biegt er um eine Ecke und fährt ei- nen scheinbaren Umweg von circa anderthalb Minuten. Verwundert überquert seine Gefolgschaft die Straße direkt und wartet an der Ampel. Doch gelernt ist gelernt: Seine Route hat Obelix als Gehweg abgespeichert – korrekt, wie das Straßenschild bestätigt. Diese Re- geltreue braucht der Roboter, um später einmal Dienstleistungen zu erbringen: einkaufen, Botengänge erledigen oder als mobiles Infor- mationsterminal behilflich sein – zum Beispiel, wenn Rollstuhlfahrer wissen wollen, welche Route bar- rierefrei durch die Innenstadt führt. Bisher ist er noch nicht allein ein- satzfähig, doch die Wissenschaftler werden die Software weiterentwi- ckeln. 125.000 Euro kostet es der- zeit, solch einen Roboter zu bauen. Auf seinem Weg in die Stadtmitte verliert Obelix am Fahnenbergplatz kurz die Orientierung. Einige Mi- nuten lang dreht er sich im Kreis, die Räder manövrieren ihn an einer Stelle hin und her. Die Doktoran- den finden schnell den Grund: Die Menschen, die sich um ihn drän- gen, versperren dem Roboter den Blick auf die Bäume – die einzigen Orientierungspunkte, die er für die- se Stelle gespeichert hat. Mit ein bisschen manueller Hilfe richtet Obelix sich neu aus, findet seinen Standort und beginnt den Endspurt. Die gefürchteten Bächle umkurvt er souverän, das Kopfsteinpflaster am Rathausplatz bringt ihn nicht aus der Ruhe. Auch die Journa- listin, die sich ihm demonstrativ in den Weg stellt, umfährt er routiniert. Nach circa anderthalb Stunden erwartet ihn am Bertoldsbrunnen auf der Kaiser-Joseph-Straße eine Menschentraube. Unter großem Applaus rollt Obelix in die Zielge- rade ein. Wolfram Burgard und sein Team strahlen. „Es hätte nicht besser laufen können.“ Obwohl es schon interessant gewesen wäre, Obelix’ zukünftige Braut kennen- zulernen. 05 2012 Freiburger Informatiker haben einen Roboter entwickelt, der sich selbstständig in der Stadt zurechtfindet – ein Ausflug zum Bertoldsbrunnen Schnittstellen: Mensch und Maschine verbinden > S. 3 Sprachen: Übersetzungen des Korans erforschen > S. 10 Merkwürdiger Mitbürger: Der Roboter Obelix erholt sich nach seiner Fahrt durch Freiburg auf dem Münsterplatz. Foto: Bezold Serviceportal: Medizinische Befunde erklären > S. 8 Obelix auf großer Fahrt

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