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uni'leben 04-2015

04 2015 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 10 Mobbing, Spielsucht, Burn-out – es gibt Situationen, in denen der Gang zum Arbeitsplatz zur Belas- tung wird. Heike Stienkemeier-Tisch und Ursula Portscht vom AGJ-Fach- verband für Prävention und Rehabi- litation in der Erzdiözese Freiburg können helfen. Yvonne Troll hat die Mitarbeiterinnen des Psychosozia- len Beratungsdiensts und der Sucht- kontaktstelle der Universität gefragt, mit welchen Anliegen sich Men- schen an sie wenden können. uni’leben: Frau Stienkemeier- Tisch, Frau Portscht, was kann ich tun, wenn ich das Gefühl habe, ge- mobbt zu werden? Stienkemeier-Tisch: Zunächst füh- ren wir Gespräche und schauen, wel- che Eskalationsstufe die Situation er- reicht hat. Mobbing entsteht nicht einfach so, es geht immer ein Konflikt voraus, der irgendwann eskaliert. Des- halb ermuntern wir Betroffene, frühzei- tig zu kommen und nicht erst, wenn man nicht mehr miteinander spricht. Zu Beginn eines Konflikts lassen sich oft einfache Lösungen finden. Portscht: Nach der Konfliktanalyse gehen wir individuell vor. Menschen sind unterschiedlich, deshalb suchen wir für jeden eine geeignete Lösung. Was letztendlich passiert, entscheidet die Person selbst. Wir stehen beratend zur Seite. Wer kann Ihre Beratung in An- spruch nehmen? Portscht: Alle Beschäftigten der Universität Freiburg, auch Studierende mit einer Stelle als wissenschaftliche Hilfskraft. Alle anderen Studierenden können sich an die Psychotherapeuti- sche Beratung des Studierendenwerks wenden. Stienkemeier-Tisch: Die erste Frage lautet meistens: „Wird mein Chef er- fahren, wenn ich zu Ihnen komme?“ Diese Angst können wir den Betroffe- nen nehmen. Nichts, was hier bespro- chen wird, dringt nach außen. Wir sind auch nicht im Universitätszentrum an- gesiedelt, damit es den Beschäftigten leichter fällt, auf uns zuzukommen. Mit welchen Problemen können sich Mitarbeiterinnen und Mitarbei- ter an Sie wenden? Stienkemeier-Tisch: Etwa bei Kon- flikten mit Kolleginnen und Kollegen oder Vorgesetzten oder wenn es im Team nicht gut läuft. Es müssen aber keine Arbeitskonflikte sein. Auch eine private Krise kann sich massiv auf die Arbeitsleistung auswirken. Portscht: Richtig, der Mitarbeiter kann so beeinträchtigt sein, dass er sich krankschreiben lassen muss. Beim Schwerpunkt Sucht geht es um Situationen, in denen jemand ein auf- fälliges Verhalten zeigt und der Ver- dacht besteht, dass es mit dem Kon- sum von Suchtmitteln zu tun hat. Darunter fallen sowohl Verhaltens- süchte, etwa Internet-, Spiel- oder Kaufsucht, als auch die Einnahme von Substanzen, in den meisten Fällen Al- kohol, aber auch Medikamente oder Drogen. Wenn ein Verdacht vorliegt und der oder die Betroffene selbst nicht aktiv wird, sind die Kollegen oder Vorgesetzten aufgefordert, zu handeln. Was kann man als Kollege in einer solchen Situation tun? Portscht: Den Betroffenen direkt ansprechen, nicht als Vorwurf, son- dern aus Sorge. Wir geben gerne Hin- weise, damit der Angesprochene nicht gleich dichtmacht. Der Idealfall wäre, möglichst früh einzugreifen, um den Suchtkreislauf zu durchbrechen. Stienkemeier-Tisch: Oft verhindert eine Hemmschwelle ein frühes Ein- schreiten. Sucht ist immer noch stark tabuisiert, und man möchte nieman- dem zu nahe treten, niemanden an- schwärzen. Die Kollegen müssen aber wissen, dass nicht einzugreifen die Suchtentwicklung sogar unterstützt. Haben sich die Suchterkrankun- gen oder andere Problematiken in den letzten Jahren verändert? Portscht: Alkohol ist nach wie vor das Suchtmittel Nummer eins, aber die Anzahl der Verhaltenssüchte ist stark angestiegen. Auffällig ist auch, dass immer mehr Führungskräfte auf uns zukommen, die das Gefühl haben, überfordert zu sein oder ihre Abteilung nicht im Griff zu haben. Stienkemeier-Tisch: Ja, psychische Erkrankungen haben stark zugenom- men. Und Probleme infolge von Ar- beitsüberlastung, wobei die Grenze zwischen Burn-out und depressiven Verstimmungen oft fließend ist. Immer mehr Menschen kommen auch mit kör- perlichen Beschwerden, die psychisch verursacht sind. Was ist Ihnen bei der Beratung be- sonders wichtig? Stienkemeier-Tisch: Den Menschen ganzheitlich zu betrachten. Ich schaue nie nur darauf, wie man die Arbeitssitua- tion wiederherstellen kann, sondern im- mer auch, wie der private Hintergrund eines Menschen ist und welche Ressour- cen er außerhalb des Berufs hat. Portscht: Viele Menschen tragen Möglichkeiten, Konflikte zu lösen, in sich. Wir können ihnen dabei helfen, diese Ressourcen zu nutzen. Mich macht es immer wieder glücklich, wenn ich in akuten Notsituationen helfen kann. Für mich ist die Beratungsarbeit deshalb das Herzstück des Berufs. kompass Ursula Portscht (links) und Heike Stienkemeier-Tisch zeigen Menschen Wege auf, Konflikte zu lösen. Foto: Patrick Seeger www.frs.uni-freiburg.de/ombudsstelle www.krankheitserfahrungen.de Die Internetplattform www.krank- heitserfahrungen.de startet ein neues Modul zum Thema Darmkrebs. Eine Arbeitsgruppe am Institut für Psycho- logie der Universität Freiburg und an der Berlin School of Public Health der Charité-Universitätsmedizin hat die Inhalte erarbeitet. Das Modul ergänzt die bereits vorhandenen Erfahrungs- sammlungen zu Diabetes, chroni- schem Schmerz, chronisch-entzündli- chen Darmerkrankungen, Epilepsie, Brust- sowie Prostatakrebs. Betroffene erzählen in Texten, Audiodateien und Videos von ihrem Leben mit der jewei- ligen Erkrankung. Im Vordergrund steht das persönliche Erleben von Di- agnose, Therapiemöglichkeiten, Be- handlung und Bewältigung der Krank- heit. Das kostenfreie Angebot dient der Information und Unterstützung von Patientinnen und Patienten und ihren Angehörigen und bietet Anschauungs- material für die Ausbildung von Ärztin- nen und Ärzten sowie medizinischem Personal. Neues Modul „Darmkrebs“ ist online Ombudsverfahren für Doktoranden Um mögliche Konflikte zwischen Promovierenden und ihren Betreuerin- nen und Betreuern konstruktiv zu lösen, bietet die Universität Freiburg ab sofort ein zentrales Ombudsverfahren an. Mit diesem Modell will sie alle Be- teiligten dazu ermutigen, Probleme frühzeitig offen anzusprechen. Die bei- den Ombudspersonen, Prof. Dr. Karin Nehlsen-von Stryk von der Rechtswis- senschaftlichen Fakultät und Prof. Dr. Hans Spada von der Wirtschafts- und Verhaltenswissenschaftlichen Fakultät, helfen den Ratsuchenden und unter- stützen sie. Damit die Hemmschwelle für eine Kontaktaufnahme möglichst niedrig ist, steht als erste Anlaufstelle für Interessierte das Team der Ge- schäftsstelle bereit, dessen Mitglieder eine Mediationsausbildung absolviert haben. Das Ombudsverfahren ist ver- traulich und kann auf Wunsch der An- tragstellenden jederzeit abgebrochen werden. Auch eine anonyme Beratung ist möglich. von Martin Jost Der deutsche Strafvollzug ist wider besseres Wissen nicht so wir- kungsvoll, wie er sein könnte. Das be- hauptet Prof. Dr. Bernd Maelicke, der sich seit mehr als 50 Jahren „ehrenamt- lich, hauptamtlich, wissenschaftlich und politisch“ mit Kriminal- und Sozialpolitik beschäftigt. Mit dem als „Streitschrift“ untertitel- ten Buch „Das Knast-Dilemma“ möchte er eine Zwischenbilanz ziehen, die ei- nem breiten Publikum aufzeigt, wie ein rationaler Umgang mit Kriminalität aus- sehen kann. Die Forderung, Straftäterinnen und Straftäter schneller oder länger wegzu- sperren, bezeichnet der Jurist als irra- tional. Dahinter stecke ein populisti- scher Reflex. Meist würde sie von Politikerinnen und Politikern im Wahl- kampf vorgebracht, um die Angst der Bevölkerung vor Kriminalität auszu- schlachten. Wegsperren, unterstreicht Maelicke, sei aber keine Dauerlösung. Und die Vorstellung, dass Kriminelle durch die Haft geläutert würden und sich nach dem Vollzug reibungslos wieder in die Gesellschaft integrierten, grenze an magisches Denken. Für den Experten sind Gefängnisse von einer gewalttätigen Subkultur ge- prägte „Schulen des Verbrechens“. Die Resozialisierung hingegen, die auf das Leben nach der Entlassung vorberei- ten soll, komme in der Regel zu kurz. Vielen Gefangenen wäre Maelicke zu- folge mit einer Verurteilung zu gemein- nütziger Arbeit besser geholfen – und alle Straffälligen würden von mehr Per- sonal für Sozialarbeit und Bewäh- rungshilfe profitieren. Gegen den Vor- wurf, zu gnädig mit Verbrecherinnen und Verbrechern umzugehen, ist Maelicke gewappnet. Er belegt mit Studien, dass ein modernes Resoziali- sierungssystem eine viel bessere In- vestition in den Schutz vor Kriminalität ist als der herkömmliche „Drehtürvoll- zug“, der seit Jahrzehnten hohe Rück- fallquoten nach sich zieht. Maelicke, der in Freiburg Jura stu- dierte, ist Gründungsdirektor des Deut- schen Instituts für Sozialwirtschaft. Von 1990 bis 2005 gestaltete er als Ministerialdirigent im Justizministerium Schleswig-Holstein die Justizpolitik nach wissenschaftlichen Erkenntnis- sen mit. Dieser „Modellversuch“ auf Landesebene habe seine Thesen zur Resozialisierung bestätigt, wie er in „Das Knast-Dilemma“ erläutert. Als Wissenschaftler, der seine For- schungsergebnisse unter realpoliti- schen Bedingungen erproben konnte, ist er empört über die Trägheit, mit der sich der Strafvollzug entwickelt. In seinem Buch bleibt er aber ganz der geduldige Reformer. Für eine so genannte Streitschrift schreibt er be- merkenswert sachlich und verzichtet auf Polemik. Sachliche Streitschrift Der Justizvollzugsreformer Bernd Maelicke wirbt in „Das Knast-Dilemma“ für moderne Resozialisierung Bernd Maelicke: Das Knast-Dilemma. Wegsperren oder resozialisieren? Eine Streitschrift. C. Bertelsmann, München, 2015. 256 Seiten, 19,99 Euro. Suchtkontaktstelle Ursula Portscht ursula.portscht@agj-freiburg.de Tel.: 0761/203-4468 www.zuv.uni-freiburg.de/sucht Psychosozialer Beratungsdienst Heike Stienkemeier-Tisch heike.stienkemeier-tisch@agj-freiburg.de Tel.: 0761/203-4467 www.zuv.uni-freiburg.de/psb Die Suchtkontaktstelle und der Psychosoziale Beratungsdienst bieten Hilfe bei Krisen am Arbeitsplatz „Herzstück des Berufs“ 042015

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