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uni'leben 01-2014

01 2014 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 7 von Anita Rüffer Kein Gartenwetter. Die terrassierten Beete vor dem Freiburger Stadt- theater sind an diesem nasskalten Winternachmittag verwaist. Dennoch gedeiht dort in aller Öffentlichkeit Feld- salat neben blauen Stiefmütterchen, seitdem sich urbane Gartenliebhaberin- nen und Gartenliebhaber mit Billigung der Stadtverwaltung ein Stück Erde un- tertan gemacht haben. Gemeinschaft- lich pflanzen, säen und ernten sie für den eigenen Verzehr. Die Hochkultur hat sich geerdet. Erstaunlich findet es Steffen Maschmeyer, dass „keinerlei Vandalismus“ zu beobachten ist: kei- ne Pflanzen ausgerissen, keine Bänke zerstört. Praktische Erfahrungen im Umgang mit Natur hat der Student des interna- tionalen Masterstudiengangs Environ- mental Governance selbst zur Genüge gesammelt. Auf Selbstversorgerbau- ernhöfen in Kanada Hühner gefüttert, Zucchiniblüten von Hand bestäubt, bei Bildungsprojekten für Kinder mit- gearbeitet. Beim urbanen Gärtnern hat den 29-Jährigen mit dem „Faib- le für Nachhaltigkeit“ darüber hinaus ein akademisches Interesse gepackt. „Damit lassen sich Städte verändern“, ist er überzeugt. In welcher Weise und mit welchem Ziel – das will er in seiner anstehenden Masterarbeit genauer untersuchen. „Kleine Initiativen“, so seine Erkenntnis, „sind wichtig, um einen radikalen Wandel herbeizufüh- ren.“ Das urbane Gärtnern als Stachel im Fleisch einer Gesellschaft, in der schon im System von Landwirtschaft und Ernährung einiges schiefläuft: die hohe Abhängigkeit von der chemi- schen Industrie, ausgelaugte Böden, mit Pestiziden verseuchte Gewässer. „Sie können an diesem symbolischen ort darauf aufmerksam machen, dass ein Wandel möglich ist.“ „Front-Runner“ zusammenbringen Eine kluge Kommunalpolitik könnte eine Strategie daraus machen und die Bewegung in die Stadtplanung inte- grieren. „Nicht indem sie das urbane Gärtnern einfach nur erlaubt, sondern indem sie es nutzt, um ihre eigenen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.“ Zwei Fliegen würden dabei mit einer Klappe geschlagen: „Menschen tun für sich persönlich etwas, was gleichzeitig gut für eine nachhaltige Entwicklung ist.“ Die herkömmliche „Politik von oben“ wird nach Ansicht von Steffen Maschmeyer den gesellschaftlichen Herausforderungen nicht mehr gerecht. Dafür seien die Probleme von heute, bei denen alles mit allem zusammen- hängt, zu komplex und Entwicklungen zu unvorhersehbar. Statt den Wandel zu kontrollieren gehe es darum, ihn zu organisieren. Aus Holland hat er dafür dank ei- nes vom Verband der Freunde der Universität Freiburg geförderten Praktikums einen „Werkzeugkasten“ mitgebracht. Am Dutch Research In- stitute for Transitions in Rotterdam hat er das Transition Management kennengelernt, eine Methode, den „radikalen Wandel eines sozioökolo- gischen Systems“ im Dialog zwischen Theorie und Praxis in eine bestimmte Richtung zu lenken. Und das ohne moralische Appelle und erhobenen Zeigefinger. Dazu müsse die Politik die „Front-Runner“ zusammenbrin- gen: einen Rahmen schaffen, in dem sie miteinander kommunizieren, ler- nen und Wege ausprobieren können. Statt ausschließlich auf Menschen an den Schaltstellen der Macht zu bauen, sollten jene aus Politik und Gesellschaft zusammenkommen, die jenseits aller Routinen „etwas verän- dern wollen“. Menschen, die Fragen umtreiben, wie: Wo wollen wir hin? In welcher Welt wollen wir leben? Durch praktische Experimente könnten sie zeigen, dass es Alternativen gibt, und den Wandel vorantreiben. „Beim Transition Management geht es nicht darum, das urbane Gärtnern an sich besonders erfolgreich zu machen. Es fragt nach den Motiven und Visionen, die damit verknüpft sind.“ In Freiburg scheint Steffen Masch- meyer am richtigen ort zu sein. An „Front-Runnern“ mangelt es nicht, und seine persönliche Vernetzung ist in vollem Gang: mit dem Samengarten in Eichstätten, mit der Forschungs- gesellschaft der Agronauten und mit dem internationalen Städtenetzwerk für nachhaltige Entwicklung (ICLEI), dessen Europasekretariat in Freiburg angesiedelt ist. Verband der Freunde Der gemeinnützige Verein wurde 1925 gegründet, um bedürftigen Studierenden zu helfen. Mit sei- nen etwa 800 Mitgliedern und den von ihm verwalteten Stiftungen unterstützt er auch heute noch vor allem Studierende, zum Beispiel mit finanziellen Hilfen bei Exkursionen und Forschungsvorhaben oder mit Examensstipendien und Preisen für hervorragende Leistungen. campus Der radikale Gärtner Steffen Maschmeyer hat in Rotterdam das „Transition Management“ kennengelernt: eine Methode, komplexe Wandlungsprozesse zu organisieren ,,Es muss nicht immer über die Chefs laufenʻʻ Das Netzwerk SciNet bietet Nachwuchswissenschaftlern der Universität Freiburg ein Forum mit kurzen Wegen von Eva Opitz Als der Bioinformatiker Dr. Stefan Günther vor einigen Jahren als frisch ernannter Juniorprofessor an die Fakultät für Chemie und Pharmazie der Universität Freiburg kam, war für ihn alles neu und unbekannt. Aber er ori- entierte sich schnell und stieß auf eine Gruppe von Nachwuchskräften, die sich bereits regelmäßig trafen, um sich über ihre Erfahrungen im Universitätsalltag auszutauschen. Heute ist Günther Mit- glied im fünfköpfigen Direktorium des Netzwerks SciNet. „Ich war gleich bei dem Gründungstreffen dabei und fand die Idee gut. Der Kontakt hat mir ge- holfen.“ Die Idee, ein Netzwerk für jun- ge Forscherinnen und Forscher zu gründen, hatten Dr. Evelyn Lamy und Dr. Miriam Erlacher von der Freibur- ger Universitätsklinik. Die beiden Nachwuchswissenschaftlerinnen hatten festgestellt, dass es für sie an der Universität kein passendes Angebot gab. Im Januar 2011 mach- ten sie auf eigene Initiative die ers- te Plattform für Nachwuchskräfte an der Freiburger Universität bekannt. Prof. Dr. Heiner Schanz, Prorektor für Lehre, unterstützte sie bei ihrem Projekt. Mithilfe der gesamten Uni- versitätsleitung folgte anderthalb Jahre später die offizielle Gründung des Netzwerks SciNet, das heute vom jetzigen Prorektor für Forschung, Prof. Dr. Gunther Neuhaus, gefördert wird. „Mit Vernetzungstreffen, Seminaren, Weiterbildungsangeboten und wissen- schaftlichen Vorträgen organisieren wir den Austausch und die Zusammen- arbeit zwischen unseren circa 60 Mit- gliedern“, sagt die Sprecherin Evelyn Lamy. Zu 30 Prozent sind das Medizi- nerinnen und Mediziner; jeweils ebenso viele Mitglieder kommen aus den Na- tur- und Geisteswissenschaften. „Mit den Kolleginnen und Kollegen aus den Geisteswissenschaften können gerade die Naturwissenschaftler über den Tel- lerrand schauen“, findet Günther. Mitglied kann werden, wer bereits eigenständig arbeitet: als Juniorpro- fessorin oder Juniorprofessor, als fortgeschrittener Postdoc in den Na- turwissenschaften – idealerweise als Gruppenleiterin oder Gruppenleiter mit eigenen Drittmitteln – oder als Ha- bilitand in den Geisteswissenschaften. „Wir sind Ansprechpartner für alle, die eine wissenschaftliche akademische Karriere anstreben“, sagt Lamy. Ko- operation wird großgeschrieben und steht im Mittelpunkt. „Wir haben unter- einander kurze Wege und können uns schnell verständigen, wenn es darum geht, Materialien auszutauschen oder Geräte gemeinsam zu nutzen“, betont Günther. Aufgaben wie etwa die Dritt- mitteleinwerbung können gemeinsam besprochen und auf den Weg gebracht werden. „Es muss nicht immer über die Chefs laufen“, findet Lamy. Die beiden Nachwuchswissenschaftler sind ein gutes Beispiel: Sie arbeitet in der Um- weltmedizin an Testverfahren für Na- turstoffe, die für Krebszellen giftig sein könnten. Er forscht in der Pharmazie an theoretischen Modellen, welche die Eignung bestimmter Moleküle für die Entwicklung von Medikamenten vor- hersagen können. „Was liegt da näher, als meine Testerfahrung bei Zellkul- turmodellen in Anspruch zu nehmen“, sagt die Forscherin. Erfahrungen mit anderen teilen Ein weiterer Vorteil des Austauschs ist für die beiden Gruppenleiter die Weitergabe von Erfahrung mit Per- sonal. „Auch da brauchen wir nicht gleich zu den Chefs zu gehen, son- dern fragen innerhalb des Netzwerks, ob jemand schon Erfahrung gesam- melt hat und wie er im Konfliktfall da- mit umgegangen ist“, erzählt Lamy. Wichtig ist den Netzwerkerinnen und Netzwerkern, mit ihrer Plattform so- wohl von außen als auch innerhalb der Universität als Interessenvertretung wahrgenommen zu werden. „Bei Ent- scheidungen, die für uns wichtig sind, wie etwa Tenure-Track-Bestimmun- gen oder Befristungsregeln, hätten wir gerne ein Mitspracherecht, um unsere Interessen zu vertreten“, betont die Sprecherin. Darüber hinaus sehen es beide als positiv an, mitzuerleben, wie Politik an der Universität funktioniert – und dass sie selbst zu Akteurinnen und Akteuren werden. Die Humanbiologin Evelyn Lamy (links) fand, dass es ein Netzwerk für Nachwuchs- forscher geben muss. Gemeinsam mit ihrer Kollegin hat sie SciNet gegründet, das sich unter anderem an fortgeschrittene Postdocs in den Naturwissenschaften und an Habilitanden in den Geisteswissenschaften richtet. FoTo: SANDRA MEYNDT www.scinet.uni-freiburg.de Steffen Maschmeyer ist davon überzeugt, dass sich mit urbanem Gärtnern Städte verändern lassen – in seiner Masterarbeit untersucht er, in welcher Weise und mit welchem Ziel. FoTo: PATRICK SEEGER

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