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uni'leben 04-2012

04 2012 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 5forschen Ein Mann in zerlumpten Hosen und dreckigen Schuhen steckt seinen Arm in einen Altglascontai- ner und sucht nach Bierflaschen, die er für acht Cent das Stück im Supermarkt abgeben kann – eine Szene, die mittlerweile jeden Tag in deutschen Städten stattfindet. Ein Mann im Anzug und mit ordentli- chem Haarschnitt beugt sich über einen Mülleimer und zieht mit ei- nem Stab eine Plastikflasche her- vor – auch dieses Bild gehört zur Realität. Im Interview mit Rimma Gerenstein erzählt der Soziologe Sebastian J. Moser, warum Men- schen, die eigentlich nicht auf das Geld angewiesen sind, Pfandgut sammeln und wie das Sammeln zur Sucht werden kann. uni’leben: Herr Moser, Ihre Disser- tation trägt den Titel „Pfandsammler. Soziologische Erkundungen einer urbanen Sozialfigur“. Was macht diese Sozialfigur aus? Sebastian J. Moser: Pfandsamm- lerinnen und Pfandsammler schei- nen mittlerweile in ganz Deutschland zum Stadtbild dazuzugehören – von Kleinstädten bis zu großen Städten wie Berlin oder Frankfurt. Ihr Aktions- radius beschränkt sich oft auf kleine Gebiete, sodass Anwohnerinnen und Anwohner die Personen vom Sehen kennen. Pfandsammler sind außerdem mit speziellen Utensilien ausgestattet. Sie tragen zum Beispiel Handschuhe oder benutzen eine Art Angel, um die Flaschen und Dosen aus den Müllei- mern zu holen. Sie haben unter anderem mit Pfandsammlern in Berlin, Leipzig, Frankfurt und Bielefeld gesprochen. Welchen sozialen Milieus entstam- men diese Leute? Es sind nicht nur Menschen, die von Armut betroffen sind, wie etwa Ob- dachlose oder Hartz-IV-Empfänger. Auch Universitätsangestellte, Logisti- ker, Handwerker oder Rentner waren zum Beispiel unter ihnen. Welche Motivation vereint diese Menschen? Sammler haben oft den Wunsch, ihr knappes Einkommen aufzubessern, um so ihre Konsummöglichkeiten zu steigern. Die Daten zeigen jedoch auch sehr eindeutig, dass es sich bei Pfandsammlern oft um sozial verein- samte Menschen handelt. Ein plasti- sches Beispiel: ein Rentner, der seine soziale Integration vor allem über die Arbeit erfahren hat und dem jetzt die Decke auf den Kopf fällt, weil er kei- ne andere Möglichkeit sieht, sich am sozialen Leben zu beteiligen. Poten- ziell könnte jeder ein Pfandsamm- ler sein. Das liegt nicht zuletzt aber auch in der Tätigkeit des Sammelns begründet. Die Tatsache, dass man damit Geld verdienen kann, wird dann zweitrangig. Pfandsammeln als Phänomen der Einsamkeit betrifft die ganze Gesell- schaft, sagt der Soziologe Sebastian J. Moser. Die Ärztin Dr. Susan Arndt, Stellver- tretende Leiterin des Implant Centrum an der Hals-Nasen-Ohren-Klinik Frei- burg, ist für ihre Forschungen zum Ein- satz eines Cochlea-Implantats bei ein- seitiger Taubheit mit dem diesjährigen Preis der Eleonore-und-Fritz-Hodeige- Stiftung ausgezeichnet worden. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert. Men- schen mit einseitiger Taubheit bekom- men Probleme, wenn sie Geräuschen aus der Umgebung ausgesetzt sind, und haben Schwierigkeiten, diese zu verorten. Arndt hat als eine mögliche Therapie unter anderem die Wirkung eines Implantats untersucht, das mit- tels einer Hörschneckenprothese die Funktion des Ohrs wiederherstellt. Preis der Eleonore-und-Fritz-Hodeige- Stiftung für Susan Arndt ,,Potenziell könnte jeder ein Pfandsammler seinʻʻ Der Soziologe Sebastian J. Moser hat erforscht, wieso Menschen Flaschen und Dosen aus Containern fischen Preisverleihung im Hause Hodeige: Dr. Christian Hodeige, Herausgeber der Ba- dischen Zeitung, Rektor Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer, Preisstifterin Eleonore Hodeige, Dr. Susan Arndt, Prof. Dr. Hubert E. Blum, Dekan der Medizinischen Fakultät, Prof. Dr. Eduard-Heinrich Farthmann, ehemaliger Prorektor und Ärztli- cher Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik (von links) Foto: Bamberger Baufinanzierung für den öffentlichen Dienst zu Top-Konditionen1) Informieren Sie sich jetzt über unsere aktuellen Konditionen! Ihre Vorteile: Bis zu 100 %ige Finanzierung des Kaufpreises Frei wählbare anfängliche Tilgung von 1 % bis 5 % p. a. 3 Jahre tilgungsfreie Anlaufzeit möglich2) Änderung des Tilgungssatzes bis zu dreimal möglich2)3) Persönliche Beratung durch Ihren BBBank-Berater für den öffentlichen Dienst Keine Bearbeitungsgebühr 5 % Sondertilgungsrecht p. a. 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Es vermittelt ein positives Selbstbild, wenn man sa- gen kann: Mein Zigarettenpäckchen habe ich mir selber verdient. Außer- dem hat das Sammeln einen selbst- verstärkenden Charakter, der bis zur Sucht führen kann. Ab einem gewissen Zeitpunkt fragen sich die Menschen nicht mehr: Muss ich überhaupt noch sammeln? Habe ich das Geld noch nötig? Die Handlung wird zu einem Trieb, der sich selbst unterhält. Diese These gilt natürlich nicht für Menschen, die das Sammeln bitter nötig haben, damit sie am Ende des Monats noch Essen kaufen können. Aber sie gibt eine mögliche Erklärung dafür, warum auch Leute, die nicht auf das Geld an- gewiesen sind, Pfandgut sammeln. Wie kann das Pfandsammeln jemanden in das soziale Leben integrieren? Es ist eine Tätigkeit, die in der Öf- fentlichkeit stattfindet. So finden sich Pfandsammler mitten im urbanen Durcheinander von Menschen wieder. Hier ergeben sich Gespräche, sie kön- nen Dinge beobachten, die ihnen in den eigenen vier Wänden nicht begeg- nen. Das ist allerdings auch paradox. Denn das Sammeln nötigt dazu, die Aufmerksamkeit die gesamte Zeit über auf die Flaschen oder Dosen zu rich- ten. Dadurch wird die Teilnahme am öffentlichen Leben also gleichzeitig sehr eingeschränkt. Die Reaktionen auf Sammler sind auch ambivalent: Zum einen kommt es durchaus zu netten Begegnungen, die meist flüch- tig bleiben. Zum anderen bieten die Sammler für manche eine Angriffsflä- che, um Aversionen gegen sozial mar- ginalisierte Menschen auszudrücken. Welche Position nehmen Pfand- sammler in der deutschen Gesell- schaft ein? Sie sind Randfiguren. Ob sie eine bemerkbare Position einnehmen, die die Gesellschaft maßgeblich verän- dert, ist schwer zu sagen. Was aber die ganze Gesellschaft betrifft, ist das Pfandsammeln ein Phänomen der Ein- samkeit. Eingebundenheit erfahren und aus einer Vereinsamung heraus- kommen zu wollen sind Probleme und Fragen, mit denen auch jeder Nicht- sammler zu kämpfen hat. Man könnte sagen, dass die Pfandsammler eine Lösung gefunden haben. Ob sie zum Ziel führt, mag dahingestellt sein. Aber man könnte sich auch fragen, ob 250 Freunde auf Facebook mehr oder we- niger soziale Integration darstellen.

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