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uni'leben 04-2012

04 2012 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 6 von Anita Rüffer Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer hat für kurze Zeit die Perspektive gewechselt. Als Rollstuhlfahrer ist der Rektor der Albert-Ludwigs-Universität plötzlich auf die Hälfte seiner Größe geschrumpft. „Eine Behinderung darf kein Kriterium sein für die Position, die ein Mensch einnimmt.“ Mit diesen Worten wirbt er am ersten „Tag der Vielfalt“, den die Universität in Koope- ration mit dem Studentenwerk Freiburg veranstaltet, für eine gleichberechtigte Teilhabe aller am universitären Leben. Schließlich soll kein Talent verloren gehen, sondern sich unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder ethnischer Zugehörigkeit entfalten und damit For- schung und Lehre an der Alma Mater bereichern. Dazu hat sich die Univer- sität 2009 mit der Unterzeichnung der „Charta der Vielfalt“ bekannt. Das Thema „Gleichstellung und Viel- falt“ ist an der Universität Freiburg dem Vizerektor Prof. Dr. Heiner Schanz zugeordnet. Seit 2008 erarbeiten die beim Rektorat angesiedelte Stabsstel- le „Gender and Diversity“ sowie die Senatskommission für Gleichstellungs- fragen gemeinsam mit weiteren Akteu- rinnen und Akteuren neue Strategien und Konzepte, um die Vielfalt an der Universität zu fördern. Etwa mit „Ta- gen der Vielfalt“, deren erster sich dem Thema „Behinderung und chronische Krankheiten“ widmet. Schulungen und Selbsterfahrungsangebote für Haus- meisterinnen und Hausmeister sowie für Mitarbeitende in der Studienorgani- sation sollen helfen, achtsamer zu wer- den und Schwachstellen aufzuspüren. Hindernisse erschweren die Teilhabe Dass viele alltägliche Hindernis- se die Teilhabe erschweren können, ist eine Erfahrung, der sich auch der Rektor aussetzt. Ein „Gefühl der Hilfs- bedürftigkeit“ mag er nicht leugnen, als er sich von Mark Pape, Psycho- logiestudent im zweiten Semester, in die Kunst des Rollstuhlfahrens ein- weihen lässt. Das Fahrstuhlfahren in den rollstuhltauglichen Aufzügen des Kollegiengebäudes (KG) III meis- tert er sicher. Spiegel erleichtern das Rückwärtsrausfahren, die Tasten sind auf der richtigen Höhe und auch von Blinden zu ertasten. Aber die Türen zu öffnen, die vom Foyer ins Freie führen, erfordert schon besondere Kraftan- strengungen. „Es wäre gut, wenn sie elektronisch und durch Knopfdruck zu öffnen wären“, sagt Schiewer. Über circa 160 Gebäude verfügt die Universität, neue und alte. Manche stehen unter Denkmalschutz. Dort haben es Menschen mit einer Behin- derung besonders schwer, weil man ihre Interessen nicht im Blick hatte, als die Gebäude errichtet wurden. Das soll sich ändern. „Barrierefreiheit muss integraler Bestandteil der Planung werden“, betont Dr. Petra Markmeyer- Pieles, Schwerbehindertenbeauftragte des Arbeitgebers. Der Tag der Vielfalt, wünscht sie sich, „soll kein einmali- ges Event sein, sondern den univer- sitären Alltag nachhaltig verändern“. Statistiken zufolge haben etwa 1.800 Studierende und 160 Beschäftigte eine Behinderung oder chronische Krankheit. Für Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer, meint Markmeyer-Pieles, sei vergleichsweise gut gesorgt. „Aber jeder behinderte Mensch hat ganz in- dividuelle Bedürfnisse“, sagt Andreas Hanka vom Referat „Studieren ohne Hürden“ des u-asta. Darauf müsse sich die Universität immer wieder neu einstellen. Selbsterfahrung mit Kopfhörer und Simulationsbrille Hanspeter Mächler-Lebit, seit 27 Jahren Hausmeister im Institutsvier- tel, hat gerade als „hochgradig Seh- behinderter“ eine Odyssee durch die Kollegiengebäude hinter sich gebracht – mittels Simulationsbrille: „Es war al- les vernebelt.“ Weder das angegebene Schließfach noch die Öffnungszeiten der Bibliothek habe er finden können. Schwarz-gelbe Streifen an den Trep- penstufen und ein Geländer entlang der gesamten Treppe hätten ihm den Weg durch die Stockwerke erheblich erleichtern können. Martina Welte und Ursula Epe von der Studienorganisa- tion der Technischen Fakultät ziehen ebenfalls Lehren aus der Selbster- fahrung: Bei Aushängen werden sie zum Beispiel künftig darauf achten, dass sie nicht zu hoch hängen und die Schrift groß und kontrastreich ist. Vor dem Deutschen Seminar im KG III sitzt eine Gruppe von Haus- meistern mit Blöcken, Stiften und Linealen. Ada Jacobsen vom Hör- behindertenzentrum in Stegen dik- tiert, was sie damit tun sollen: Ihre komplizierten Anweisungen, gespickt mit Zahlen und abstrakten Begriffen, sind kaum nachzuvollziehen. Erst recht nicht, wenn wegen der roten Baustellenkopfhörer kaum eine Fre- quenz bis zum Hörnerv gelangt. Au- ßerdem diktiert sie so schnell, dass keine Zeit zum Nachfragen bleibt. Wäre ja auch zu peinlich! Und dann noch die vielen Nebengeräusche, die von den glatten Betonwänden widerhallen. Prof. Dr. Hans W. Hu- bert, Studiendekan an der Philo- sophischen Fakultät, lehrt diese Erfahrung, in seinen Vorlesungen künftig artikulierter zu sprechen, damit Hörbehinderte seinen Lippenbewe- gungen folgen können, und Pausen einzulegen, damit Zeit zum Nachfra- gen bleibt. Linda Gungl, Pharmaziestudentin mit einer starken Sehbehinderung, kann Tafelanschriebe nicht lesen. PowerPoint-Folien lässt sie sich vergrößert ausdrucken, und für Prü- fungen und Hausarbeiten hat sie 50 Prozent mehr Zeit herausgehandelt. Manche halten das für einen unge- rechtfertigten Vorteil. „Aber es ist ein Nachteilsausgleich.“ Den hat sie sich erkämpft. „Wichtig ist, aktiv zu werden und seine Bedürfnisse als behinderter Mensch kundzutun.“ campus ,,Es war alles vernebeltʻʻAm „Tag der Vielfalt“ haben Universitätsmitarbeiter in Schulungen und auf einem Parcours erfahren, wie Menschen mit Behinderung den Hochschulalltag erleben Studieren und arbeiten mit Handicap: Anlaufstellen Beauftragte der Universität Freiburg für Studierende mit Behinderung/chroni- scher Krankheit: Susanne Wenzel, Telefon 0761/203-4432 susanne.wenzel@zv.uni-freiburg.de www.vielfalt.uni-freiburg.de Ada Jacobsen vom Hörbehindertenzentrum in Stegen diktiert, Studiendekane und Hausmeister versuchen den Anweisungen zu folgen – trotz der Kopfhörer, die das Hören erschweren. Mit einem Stock tastet sich ein Hausmeister der Universität Freiburg, angeleitet von der Pharmaziestudentin Linda Gungl, über einen Parcours mit verschiede- nen Bodentypen. Fotos: Kunz Mühsamer Weg über Kopfsteinpflaster: Im Rollstuhl fährt Rektor Hans-Jochen Schiewer mit Psychologiestudent Mark Pape vom Kollegiengebäude III zum Café Senkrecht. Behindertenbeauftragter des Studentenwerks Freiburg: Karl-Heinz Hermle, Telefon 0761/2101-233 hermle@studentenwerk.uni-freiburg.de u-asta-Referat „Studieren ohne Hürden“: referat-soh@u-asta.uni-freiburg.de Vertrauensmann der Schwerbehinderten: Manfred Zahn, Telefon 0761/203-6906 manfred.zahn@zv.uni-freiburg.de Schwerbehindertenbeauftragte des Arbeitgebers: Dr. Petra Markmeyer-Pieles, Telefon 0761/203-4204 Petra.Markmeyer-Pieles@zv.uni-freiburg.de Barbara Windscheid, Telefon 0761/203-4290 Barbara.Windscheid@zv.uni-freiburg.de

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