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uni'leben 03-2016

03 2016 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 8 industrialisiert, das Spiel endet in der Katastrophe. Die Analyse Was lief schief? Die wirtschaftlichen Ziele, die von Anfang an offenlagen, bestanden für alle darin, eine je unter- schiedliche Zahl von Fabriken vorzu- weisen – egal, ob schwarz oder grün. Dagegen lagen die erst nach Ende des Spiels enthüllten politischen Ziele, von denen die Spieler je eines nach Wahl erreichen mussten, teils eng beisam- men, teils weit auseinander. In den USA etwa waren „Klimaskeptiker“ und „Versicherungen“ die maßgeblichen Lobbygruppen: Es galt, die Zahl der grünen Fabriken weltweit auf maximal sechs zu begrenzen oder weltweit min- destens elf Schutzmaßnahmen zu er- richten. In den Schwellenländern for- mulierten ebenfalls „Versicherungen“ sowie „Umweltverbände“, die weltweit maximal zwölf schwarze Fabriken for- derten, die politischen Ziele. Ob bewusst oder nicht: Die Staaten- gruppen arbeiteten mal gegeneinander, mal zusammen. Und jede von ihnen stand mindestens ein Mal kurz davor, die jeweiligen Ziele zu erreichen. Den Sieg vor Augen, agierten alle Spieler stets im eigenen Interesse, ohne die für alle schädlichen Auswirkungen auf das weltweite Klima zu beachten – ein Para- debeispiel für die Erklärungskraft der sozialwissenschaftlichen Theorie der rationalen Entscheidung. „Das Spiel gibt die aktuelle Situation in der Klimapolitik gut wieder“, bilanziert Kleinschmit. „Viele Verhandlungen, we- nig Ergebnisse, ein einziges Gescha- cher.“ Und offensichtlich bringt es nicht nur Erkenntnisse zur internationalen Diplomatie, sondern auch jede Menge Spaß: Es endete zwar schon nach fünf Runden – aber dafür benötigten die Spieler knapp drei Stunden. campus Erfolgreich in der Landesinitiative Kleine Fächer: Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg fördert das Institut für Archäologische Wissen- schaften der Universität Freiburg bis Ende 2018 mit etwa 200.000 Euro. Kern des Projekts der Archäologinnen und Archäologen ist die Einrichtung einer Gastdozentur im Bereich „Visual Culture and Anthropology in Antiquity“. Im jährlichen Wechsel sollen Dozie- rende auf einem bildwissenschaftlich- anthropologischen Schwerpunkt arbei- ten, auch im Verbund mit Promo- vierenden und Masterstudierenden, und eine zweitägige internationale Tagung ausrichten. Darüber hinaus soll die Gastdozentur die Grundlagen für ein Graduiertenkolleg schaffen. Ziel der Initiative ist es, die wissen- schaftliche Vielfalt an baden-württem- bergischen Universitäten zu stärken sowie die Wettbewerbsfähigkeit und Sichtbarkeit der Kleinen Fächer zu erhöhen. Kleine Fächer im Mittelpunkt Ein zentrales Online-Portal für 14.000 historische Lieddrucke: Das Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Universi- tät Freiburg (ZPKM), das Archiv des Ös- terreichischen Volksliedwerks und die Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz hat das Projekt „VDLied – Das Verzeichnis der deutschsprachigen Liedflugdrucke“ abgeschlossen. Die Plattform macht erstmals ein musikali- sches und kulturelles Repertoire, das sich vom 16. bis zum 20. Jahrhundert erstreckt, einem breiten Publikum zu- gänglich. „Die Liedinhalte umfassen die ganze Spannbreite des privaten und des öffentlichen Lebens: Sex, Crime und Action sind genauso vertreten wie politische und religiöse Lieder“, sagt Dr. Dr. Michael Fischer, Leiter des ZPKM. Die digitalisierten Schriftstücke geben nicht nur über Vorstellungsweisen und Mentalitäten früherer Generationen Auf- schluss, sondern auch über die mediale Darbietung. „Durch die Beigabe von Bil- dern und Zierleisten versuchten die Pro- duzenten, die Lieddrucke aufzuwerten. Spätere Liedflugschriften enthalten mit- unter Noten zum Mitsingen“, erklärt Fi- scher. Das Portal soll Forscherinnen und Forschern weltweit eine umfangrei- che Datenbank bieten. Unter anderem ermöglicht es die Plattform, nach dem Liedanfang, aber auch nach Refrain und Melodienverweisen sowie Strophen- und Zeilenzahl zu suchen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderte das ZPKM mit knapp 110.000 Euro. 14.000 historische Lieddrucke online von Nicolas Scherger In der Serie „Abgezockt!“ treffen sich Redaktionsmitglieder von uni’leben mit Forscherinnen und Forschern der Universität Freiburg zu einer Spiel- partie. Ziel ist, Gesellschaftsspiele aus wissenschaftlicher Perspektive zu beleuchten – freilich mit einem Augenzwinkern. Das Spiel Die eigene Wirtschaft stärken, politi- sche Interessen durchsetzen und gleichzeitig die globale Erwärmung begrenzen: Bei „Keep Cool“ lenken die Spielerinnen und Spieler die Geschi- cke von Staatengruppen. Regeln gibt es nur wenige, nahezu alles ist verhan- delbar – nur nicht, wie sich das Verhal- ten der Spieler auf die Welttemperatur auswirkt. Investieren sie in konventio- nelle Fabriken, wird es heiß. Green Economy ist teurer, aber unschädlich. Wer seine wirtschaftlichen und politi- schen Ziele zuerst erreicht, gewinnt. Kommt es zur Klimakatastrophe, ver- lieren alle. Die Spieler Prof. Dr. Daniela Kleinschmit, Prof. Dr. Michael Pregernig, Dr. Sabine Reinecke, Institut für Umweltsozialwissenschaften und Geographie Rimma Gerenstein, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Der Ablauf In Green Economy investieren? Und dann auch noch in Entwicklungslän- dern? „Das ist im Kongress nicht durchsetzbar“, sagt Sabine Reinecke, Staatengruppe USA & Partner – ein Satz, den sie im weiteren Spielverlauf gebetsmühlenartig wiederholen wird. Also schwarze Industrie im eigenen Land. Die ist günstiger zu haben, aber schlecht fürs Klima. Schon nach dem ersten Spielzug der von Beginn an hoch industrialisierten USA steigt die Welttemperatur. Rimma Gerenstein, Schwellenländer, zieht nach: mit einer schwarzen Fabrik, zur Hälfte finanziert von Europa – als Entwicklungshilfe. Daniela Kleinschmit, Entwicklungslän- der, startet nahezu ohne Ressourcen, hat aber ein Sonderrecht: Erpressung. „Wenn ihr nicht bei uns investiert, sind wir gezwungen, Regenwald abzuhol- zen“ – was die Temperatur weiter nach oben treibt. Niemand reagiert. Bäume fallen, ansonsten bleiben die Entwick- lungsländer handlungsunfähig. „Fühlt sich nicht gut an“, lamentiert Klein- schmit. Michael Pregernig, Europa, gibt zumindest auf dem eigenen Terri- torium die moralische Instanz: Mithilfe eines Kredits aus den Schwellenlän- dern baut er eine grüne Fabrik. „Ist teuer, aber ich tue es für euch.“ Das allein reicht nicht. Es kommt zur Dürre in Äthiopien, zu einem Hurrikan in Florida und zu weltweitem Arten- sterben. Doch die Kosten für die Staa- tengruppen bleiben vorerst überschau- bar. „Nicht schwarzmalen, schwarz investieren“, schlussfolgert Reinecke, gibt jetzt aber auch Geld für Schutz- maßnahmen aus, um die Folgen von Klimaereignissen abzumildern – sogar in anderen Staatengruppen. Entwick- lungs- und Schwellenländer ziehen mit schwarzen Fabriken nach, nur Europa bleibt grün und erhöht ebenfalls die Schutzmaßnahmen. Die Spieler feil- schen über Kreditmodelle, gemeinsa- me Investitionen und Gewinnbeteili- gungen, flankiert von engagierten Debatten über den Kurs der wirtschaft- lichen und politischen Entwicklung. Das Ergebnis: Die Welttemperatur steigt und steigt. Nun wird es teuer. Versteppung in Amazonien, Denguefie- ber in Zentralafrika, Kälteeinbruch in Nordamerika. Reinecke muss eine schwarze Fabrik demontieren, um die Kosten zu begleichen. „Jetzt geht es ums Überleben“, sagt Kleinschmit. Trotzdem investiert sie weiter in schwarze Fabriken. Nachhaltige Be- triebe sind einfach zu teuer. Doch siehe da: Die USA wählt einen neuen Kongress. Reinecke steuert ra- dikal um, reißt schwarze Fabriken ab, um grüne zu bauen, und fordert auch von den Entwicklungs- und Schwellen- ländern einen Kurswechsel. „Wir sollen für das geradestehen, was ihr jahr- zehntelang verbockt habt?“, protestiert Kleinschmit, die industriell deutlich auf- geholt hat. „Die neuen Verschmutzer sitzen in den Entwicklungsländern“, hält Reinecke prompt dagegen. Pregernig bleibt oberste moralische Instanz: „Wir alle müssen unsere schwarzen Fabri- ken abwracken, gegenseitige Schuld- zuweisungen helfen nicht weiter.“ Aber es ist zu spät. Malariaepidemie in China, Hitzewelle in Europa – trotz ge- meinsamer Anstrengungen können die Staatengruppen nicht mehr für die Kosten aufkommen. Die Welt ist de- „Ein einziges Geschacher“ Was „Keep Cool“ über internationale Diplomatie bei Klimaverhandlungen verrät Viele schwarze, kaum grüne Fabriken: Das treibt die globale Erwärmung in die Höhe. Fotos: Thomas Kunz Sitzen die Verschmutzer in den Entwick- lungsländern? Daniela Kleinschmit je- denfalls baut fleißig schwarze Fabriken. Moralische Instanz: Michael Pregernig setzt in Europa auf Green Economy. Sabine Reinecke strukturiert im Spiel- verlauf die Industrie in den USA kom- plett um – die Klimakatastrophe kann sie damit nicht abwenden. „Keep Cool“ Spieltrieb, 29,90 Euro. www.spieltriebgbr.de www.vd-lied.de  032016

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