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uni'wissen 01-2016

Schön wär’s“, sagt Andreas Mehler. Eine Lösung für den Konflikt in Syrien hat der Professor für Entwicklungstheorien und Entwicklungspolitik an der Albert-Ludwigs-Universität und Leiter des Freiburger Arnold-Bergstraesser-Instituts für kultur- wissenschaftliche Forschung auch nicht parat. Sein Forschungsgebiet sind die Länder südlich der Sahara. Aber möglicherweise können die dabei gewonnenen Erkenntnisse eines Tages auch bei der Überwindung des Syrienkrieges, der mittler- weile die ganze Welt beschäftigt, hilfreich sein. Eines haben Mehlers Forschungen jedenfalls ge- zeigt: „Die große Standardlösung gibt es nicht.“ Das frankophone Zentral- und Westafrika, auf das er sich konzentriert, bot in der jüngeren Ver- gangenheit jede Menge Anschauungsunterricht zum Umgang mit Konflikten und führte vor, was selbst bei gut gemeinten Befriedungsversuchen schiefgehen kann. „Machtteilung“ zum Beispiel ist ein Zauberwort, auf dem nach Bürgerkriegen viele – auch internationale – Hoffnungen ruhen. Es klingt ja auch plausibel, nach einem bewaffneten Konflikt Rebellengruppen und die Regierung des jeweiligen Landes – möglichst durch eine außenstehende Vermittlerin oder einen außenstehenden Vermittler – in Friedensverhandlungen einzubeziehen und an der Macht zu beteiligen. Aber warum sind darauf basierende Friedensschlüsse oft so labil und funk- tionieren selten dauerhaft? Zum Premierminister hochgebombt Ein Paradebeispiel sei die Elfenbeinküste, sagt Mehler. Zur Jahrtausendwende sah sich der 1960 aus einer ehemaligen französischen Kolonie ent- standene Staat gespalten. Das im Norden herr- schende kollektive Gefühl der Benachteiligung ließ eine Rebellenbewegung entstehen, die mit Aus- bruch des Bürgerkriegs 2002 schlagartig weite Teile des Staatsgebiets kontrollierte. 2007 gab es, vermittelt durch den Präsidenten von Burkina Faso, eine Übergangsregelung bis zu den Wahlen 2010. Sie verhalf dem erst 35-jährigen ehemaligen Studierendenführer Guillaume Soro zum Amt des Premierministers, in das er sich als Anführer der Rebellinnen und Rebellen quasi hochgebombt hatte. Heute ist er als Parlamentspräsident der zweite Mann im Staat. Aber was haben das Fuß- volk und die zivile Opposition davon? Machtteilung als Standardlösung für Bürger- kriege, sei es in der Elfenbeinküste, im Tschad oder in der Zentralafrikanischen Republik, so Mehlers Fazit, „ist häufig eher Bestandteil des Problems als Teil seiner Lösung“. Rebellenführern wie Soro einen hohen Regierungsposten zu geben biete einen perversen Anreiz: Wer mit Gewalt genü- gend Aufmerksamkeit erregt, kommt an die Macht. Die zivile Opposition werde entwertet. Ähnlich liege der Fall im Kongo, wo die Akteurinnen und Akteure der Gewalt am Verhandlungstisch domi- niert hätten. Diese Marginalisierung der zivilen Opposition gehöre heute zu den Hypotheken der Friedensentwicklung. Eine vollständige Teilhabe aller Konfliktparteien an einer umfassenden Frie- denslösung sei überdies kaum zu erzielen: „Wer nicht am Verhandlungstisch sitzt, fühlt sich aus- geschlossen und kämpft weiter“ – in der Hoffnung, wenigstens eine möglichst hohe materielle Ent- schädigung herauszuschlagen, wenn er sich bereit erkläre, damit aufzuhören. So versuchten alle, doch noch ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Eliten teilen Pfründe Die Annahme, dass es den Hauptakteuren bei Friedensverhandlungen tatsächlich um Frieden und die Etablierung eines demokratischen Staa- tes gehe, ist nach Mehlers Beobachtung eher ein frommer Wunsch der internationalen Vermittler. „Zumeist ist Machtteilung nicht viel mehr als Pfründenteilung zwischen ehrgeizigen Eliten.“ Interviews mit lokalen Informanten sind eine der Methoden, mit denen die Politikwissenschaftler die aktuelle Lage in der Zentralafrikanischen Republik analysieren. Quelle: Tim Glawion „Die große Standardlösung gibt es nicht“ 17 uni wissen 01 2016 uni wissen 012016

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