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uni'wissen 02-2013

Einatmen. Die Stimmlippen im Kehlkopf des Hornisten sind weit geöffnet. Sie lassen Luft in den Körper. Das Zwerchfell im Brustkorb, zu- vor gewölbt wie zwei umgestülpte Schüsseln, wird flacher. Es senkt sich, drückt Leber, Magen und die anderen Bauchorgane nach unten. Der Brustkorb weitet sich, Luft strömt in die Lunge. Die Zunge bewegt sich nach oben, schnellt plötzlich nach vorne. Die Stimmlippen schließen sich fast, nur ein Spalt bleibt offen. Ausatmen. Am Mundstück schlägt die Oberlippe rasant ge- gen die Unterlippe. Der erste Ton erklingt. Bauch- und Rumpfmuskeln ziehen sich zusammen, langsam hebt sich das Zwerchfell wieder, lässt die Luft gleichmäßig aus der Lunge entweichen. Wenn der Hornist die nächsten Töne anstößt, unterbricht die Zunge den Strom, indem sie er- neut von hinten gegen die Schneidezähne schlägt. Bis die Luft nicht mehr ausreicht. Einat- men­–­und­wieder­von­vorn. Wenn Pianisten, Streicher oder Schlagzeuger Bewegungsabläufe verbessern möchten, beob- achten sie beim Üben die Bewegungen ihrer Hände und Finger oder schauen in den Spiegel. Bei Bläserinnen und Bläsern dagegen laufen die entscheidenden Vorgänge im Körperinneren ab: in Mundhöhle und Rachen, in Kehlkopf und Brustraum. Was dabei genau passiert, ist nun erstmals­ in­ Filmen­ zu­ sehen­ –­ dank­ der­ For- schung von Prof. Dr. Claudia Spahn und Prof. Dr. Bernhard Richter, die zusammen das Freiburger Institut­für­Musikermedizin­(FIM),­eine­gemeinsa- me Einrichtung der Albert-Ludwigs-Universität und der Musikhochschule Freiburg, leiten. Ihre Ergebnisse haben sie in einer Arbeitsgruppe mit dem Oberarzt Prof. Dr. Matthias Echternach vom FIM, dem Medizinstudenten und professionellen Hornisten Matthias Pöppe sowie weiteren Part- nerinnen und Partnern in mehr als 130 Video- clips auf einer DVD didaktisch aufbereitet. „Ziel „Ziel ist es, der Methodik des Blasinstrumenten- spiels einen neuen Impuls zu geben“ Verstehen, anwenden, verbessern: Die didaktisch aufbereiteten Videoclips eignen sich für den Einsatz im Instrumental- und Musikunterricht. Bruno Schneider, Hornprofessor an der Hochschule für Musik Freiburg, hat den Anstoß zu dem Projekt gegeben. Foto: Patrick Seeger ist es, der Methodik des Blasinstrumentenspiels einen neuen Impuls zu geben“, sagt Spahn. Der Veröffentlichung ging eine jahrelange Arbeit voraus, bei der die Forscherinnen und Forscher zusammen mit professionellen Musikerinnen und Musikern methodisch neue Wege beschritten. Mit Kunststoffmundstück und Gartenschlauch Der Hornist legt sich auf den Rücken und setzt einen Kopfhörer auf, an dem ein Mikrofon befestigt ist. Bernhard Richter reicht ihm einen Gartenschlauch. Am einen Ende ist ein Kunst- stoffmundstück aufgesetzt, am anderen ein Papptrichter­–­das­Instrument,­mit­dem­der­Musi- ker spielen soll, muss metallfrei sein: Die Liege fährt ihn langsam in eine Röhre, den Kernspinto- mografen. Das Gerät regt mithilfe starker Mag- neten wasserhaltiges Gewebe im Körper an und erzeugt auf dieser Grundlage bis zu acht Bilder in der Sekunde, die das Innere des Menschen zeigen. Hierzu schließt sich zunächst eine klei- nere Magnetspule um den Kopf, später eine grö- ßere um den Torso. Aus der Röhre erklingen einzelne Töne, Tonleitern, schließlich ein Horn- konzert von Wolfgang Amadeus Mozart. Wieder draußen, führt Richter dem Musiker ein Endo- skop durch die Nase in den Rachen ein, um den Kehlkopf während des Spiels zu filmen. Aller- dings sind die Bewegungen der Stimmlippen für das menschliche Auge zu schnell. Deshalb nutzt der Mediziner die Hochgeschwindigkeitsfotogra- fie, die bis zu 4.000 Bilder in der Sekunde er- zeugt, und die Stroboskopie, die den Kehlkopf in regelmäßigen Abständen anblitzt. Da das Inter- vall der Blitze langsamer ist als die Schwingung der Stimmlippen, entsteht ein Zeitlupeneffekt. Schließlich kommen beide Verfahren nochmals zum Einsatz, als die Forscher die Lippen durch ein aufgesägtes Mundstück von außen filmen. 21

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