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uni'leben 02-2016

02 2016 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 7 Studierende haben an der Dreisam einen Nistplatz für seltene Insekten gebaut von Sarah Schwarzkopf Die Holzkonstruktion erinnert an eine Wabe. Um sie im Boden zu verankern, hebt eine Gruppe von Stu- dierenden seit mehreren Stunden tiefe Löcher aus. „Es macht Spaß, selbst was zu bauen, anstatt immer nur im Hörsaal zu sitzen“, sagt Jessica Eith während einer Pause. Sie ist Master- studentin im Fach Umweltwissenschaf- ten und hat an dem Modul „Stadt, Garten, Landschaft, Gestaltung“ teilgenommen. Zum Abschluss des Kurses haben die Teilnehmenden ein Insektenhaus ent- worfen und gebaut. Damit wollen sie vor allem seltene und einzeln lebende Wildbienenarten anlocken, deren natür- licher Lebensraum kaum noch existiert. Gezielt anlocken Die einzelnen Kammern der Wabe sind mit Materialien gefüllt, die Nistmög- lichkeiten bieten – größtenteils Röhr- chen, zum Beispiel Schilf und Bambus. „Wir verwenden aber auch Laubholzbret- ter mit Bohrlöchern und Totholzelemente. Manche Harz- und Blattschneiderbie- nen gehen nur in so etwas rein, und hier in der Landschaft gibt es das nicht mehr“, erläutert Felix Fornoff. Der Bio- loge von der Professur für Naturschutz und Landschaftsökologie der Universi- tät Freiburg leitet das Projekt. „Selber planen, selber basteln, seine Ideen einbringen und in der Gruppe umsetzen: Das ist einfach klasse“, findet Manuel Hugelmann, der ebenfalls Um- weltwissenschaften studiert. Siebzehn Studierende haben das Insektenhaus innerhalb von drei Tagen entworfen und in der Schreinerei des Forstbota- nischen Gartens gebaut. „Dabei set- zen sie sich mit ganz neuen Fragen auseinander: Wie groß müssen die Löcher sein? An welchem Standort gibt es welche Blüten? Welche Materi- alien benötigen wir, und wen locken wir damit eigentlich an?“, beschreibt Fornoff den Lernprozess in der Planungsphase. Wesentlich ist zum Beispiel die Länge der Röhrchen, denn in kurze Röhren werden die männlichen, in lange die weiblichen Nachkommen gelegt. „Mit einem Bienenhotel aus dem Super- markt unterstützt man daher meist nur die männliche Population – was über- haupt nichts bringt“, erklärt Fornoff. Bei den Studierenden kommt das Pro- jekt gut an. „Die Verbindung der Inhalte mit der Praxis fehlt an der Universität leider fast immer“, findet Eith. „Wir ha- ben den kompletten Prozess durchge- macht. Das hat das Wissen vertieft. Und das Ergebnis steht sogar an einem Ort, an dem es auch andere sehen können.“ Keine Lust auf Wurst Das Insektenhaus befindet sich zwi- schen dem Ottiliensteg und der Sand- fangbrücke. Der breite renaturierte Streifen entlang der Dreisam ist 2015 zu einem beliebten Ausflugsziel gewor- den. Wird es niemanden stören, wenn dort auf einmal Tausende von Insekten umherschwärmen? „Der Nistplatz wur- de nicht für Honigbienen und soziale Faltenwespen, sondern nur für solitäre Tiere gebaut“, betont Fornoff. „Die beläs- tigen niemanden, denn sie machen sich nichts aus Apfelkuchen oder Wurst. Genauso wenig stechen sie, obwohl sie das prinzipiell könnten.“ Außer den Bie- nen werden in dem etwa zwei Meter hohen Bau Wespen und viele Parasito- ide leben. „Auch die sind wichtig, denn sie regulieren die Populationen von Nützlingen wie auch von Schädlingen. Das Ganze ist ein riesiges Ökosystem“, erklärt Fornoff. Für Menschen sind all diese Insekten übrigens völlig harmlos. Welche Arten sich in dem neuen Heim einnisten werden, bleibt abzu- warten. „Ich werde bestimmt ab und zu vorbeikommen und nachsehen, was hier alles rumfliegt“, kündigt Hugelmann an. Auch Fornoff wird weiterverfolgen, wie die Tiere das Insektenhaus anneh- men: „Vielleicht werden es nur Hunder- te, aber hier könnten auch Tausende oder Zehntausende Insekten nisten.“ lernen Der Theologe und Journalist Michael Albus will Studierende zum kritischen Umgang mit Bildern motivieren Fotos, Videos, Reportagen und Filme bestimmen die Wahrnehmung der Welt. Oft wirken sie objektiv und neutral. Sind sie aber nicht, sagt Michael Albus, Theologe und Honorarprofessor an der Universität Freiburg. Jahrzehntelang hat er als Fernsehjournalist beim ZDF gear- beitet. Am Zentrum für Schlüssel- qualifikationen (ZfS) der Universität bietet er das Seminar „Was Bilder mit uns machen – Grundlagen der Medienanalyse“ an. Thomas Goebel hat sich mit ihm unterhalten. uni’leben: Herr Albus, wie wollen Sie den Studierende beibringen, die Macht der Bilder zu entlarven? Michael Albus: Indem wir analy- tisch vorgehen: Zuerst schauen wir uns die starke emotionale Wirkung von stehenden und bewegten Bildern an. In einem zweiten Schritt versuchen wir dann durch eine strukturelle Analyse herauszufinden, warum das jeweilige Bild so wirkt: Wie ist es aufgebaut? Welche Motive tauchen auf? Die Sym- bolsprache ist dabei ganz wichtig. Wir schauen aber auch, wie und warum ein Bild überhaupt entsteht. Das ist vor allem bei Nachrichten spannend: Wer wählt aus? Wer bestimmt die Reihen- folge? Welche Gründe gibt es dafür? Welche Medienbereiche betrach- ten Sie noch? Filme, Reportagen und, was auf gro- ßes Interesse stößt, das Bild in der Werbung: Wir analysieren 30 bis 40 Werbespots und schauen, wie sie funktionieren. Das ist sehr spannend – wenn wir etwa feststellen, dass religiöse Symbole, die aus den Kirchen längst ausgewandert sind, die Bildsprache der Werbung bestimmen. Haben Sie ein Beispiel? Ja, den schon als Klassiker geltenden Werbespot für den Renault Clio: Eva, leicht bekleidet, lockt Adam in ihr Auto. Sie werden von goldfarbenen Licht- linien umspielt. Gold gilt von jeher als Symbolfarbe für das Heilige. Und das Ganze spielt in einem Paradiesgarten mit Palmen und immergrünen Pflanzen. Dagegen wirken Pressefotos ja erst mal objektiv. In der Rezeptionsforschung gibt es den schönen Satz: „Ich sehe nur, was ich schon gesehen habe.“ Sobald ich ein Bild anschaue, beginnt bei mir un- bewusst ein innerer Abgleich mit schon gesehenen Bildern. Ich kläre dauernd ab, welche Bedeutung das gerade ge- zeigte Bild hat. Da kommen persönli- che Erlebnisse und Lebenserfahrun- gen ins Spiel. Meine These heißt: Es gibt kein objektives Bild. Sobald ein Fotograf seine Kamera auf etwas rich- tet, interpretiert er das Gesehene ... ... weil ein Bild immer ein Aus- schnitt ist und eine Perspektive hat. Ja, und sobald ich dieses Bild be- trachte, fange auch ich an, es vor dem Hintergrund meiner subjektiven Erfah- rungen zu interpretieren. In meinem Kurs versuchen wir, diese Wirkungs- weise Schritt für Schritt zu analysieren. Nehmen wir aktuelle Fotos von Flüchtlingen, die an der griechisch- mazedonischen Grenze in Zelten im Schlamm ausharren. Was lösen diese Bilder bei Ihnen aus – und warum? Ich sehe Zelte, die regelrecht als Symbole wirken: Die Menschen dort sind nicht sesshaft, Zelte muss man abbrechen und neu aufbauen. Ich sehe Leute im Schlamm und weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, bei einem solchen, ich sag mal, Scheiß- wetter sein Leben zu fristen. Mir fällt vielleicht ein, dass die Menschen Stunden anstehen müssen, um etwas zu essen zu bekommen. Die Bilder rufen eigene Erlebnisse wach: Wo habe ich schon mal Hunger gehabt, wo war ich in Gefahr? Und diese wer- den dann wieder mit den Bildern ab- geglichen. Sie haben selbst als Fernsehjour- nalist mit ähnlichen Aufnahmen ge- arbeitet. Was können Bilder leisten? Zunächst ist es wichtig, zu erkennen, dass der paradigmatische Wechsel von der Wort- zur Bildkultur bei uns längst vollzogen ist. Das gilt auch für die Universität. In vielen Bereichen ist das allerdings noch nicht im Bewusst- sein angekommen. Ein Bild interpre- tiert ein Stück Welt, das ist für mich der entscheidende Punkt: Ich kann durch ein Bild etwas erfahren, das meinen Blickwinkel erweitert. Wie lässt sich das im Studium einsetzen? Indem ich als Lehrender versuche, Bilder zu finden, die den Lehrinhalt be- reichern und erweitern. Durch Bilder kann ich eine zusätzliche emotionale Dimension in die Erarbeitung von Tex- ten bringen – ich mache mir im Kopf ja ohnehin ständig Bilder, wenn ich einen Text analysiere. Und was sind Ihre wichtigsten Tipps für Studierende? Nicht unreflektiert Bilder einwerfen und schlucken. Ich will Studierende dazu motivieren, nichts für bare Münze zu nehmen und, was bei der heutigen Bilderflut oft eine große Hürde ist, selber zu recherchieren: Wo kommt das Bild her? Was hat es für eine Geschichte? Wichtig ist die Erkenntnis: Ihr seid mani- pulierbar, man kann mit euch sein Spiel treiben, wenn ihr nicht kritisch mit den Bildern umgeht. „Es gibt kein objektives Bild“ Wie ist eine Aufnahme aufgebaut, mit welchen Motiven spielt sie, wer hat sie ausgewählt? Michael Albus er- klärt Studierenden, wie sie vermeiden können, sich von Bildern manipulieren zu lassen. FOTO: KLAUS POLKOWSKI Die letzten Hammerschläge: Die Studierenden Ann-Christine Hartmann und Steffen Kirsch errichten gemeinsam mit Pro- jektleiter Felix Fornoff (rechts) das Insektenhaus, in dem Röhrchen aus Schilf und Bambus jede Menge Nistplätze bieten. FOTO: KLAUS POLKOWSKI www.nature.uni-freiburg.de/ publikationen/Brosch_Flyer  WG für Wildbienen 022016

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