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uni'leben 02-2016

02 2016 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 9campus von Rimma Gerenstein In der Serie „Abgezockt!“ treffen sich Redaktionsmitglieder von uni’leben mit Forscherinnen und Forschern der Universität Freiburg zu einer Spiel- partie. Ziel ist, beliebte Gesellschafts- spiele aus wissenschaftlicher Per- spektive zu beleuchten – freilich mit einem Augenzwinkern. Das Spiel „Memory“ erfordert ein grandioses Gedächtnis: In einem Durcheinander aus verdeckten Pappquadraten müs- sen die Spielerinnen und Spieler je- weils zwei Bilder mit demselben Motiv finden. Das „Deutschland-Memory“ präsentiert allerlei Kulturgut der Bun- desrepublik auf 72 Karten – von der Semperoper über die Schwarzwälder Kuckucksuhr bis hin zum Deutschen Schäferhund. Aufdecken darf man so lange, wie man Zwillingspärchen zu lokalisieren vermag. Die Spielerinnen und Spieler Prof. Dr. Evelyn Ferstl; Dr. Rul von Stülpnagel, Kognitionswissenschaft Nicolas Scherger, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit „Form follows function“, die Form folgt der Funktion, lautet der berühmte Leit- satz der Bauhaus-Bewegung. Architek- tonisch spektakulär geht es beim Memory zwar nicht zu, aber dem Design gilt trotzdem die erste Frage: Werden die Karten in einem Quadrat angeordnet oder kreuz und quer auf dem Tisch verteilt? Ein Arrangement in Reih und Glied würde den Spielern die Suche nach den Motiven erleichtern. Das finden Ferstl, von Stülpnagel und Scherger aber langweilig. Also legen sie ein Durcheinander, das allerdings – sicher ist sicher – an ein Rechteck erin- nert. Zum Glück, darüber sind sich alle aus Erfahrung einig, sitzen keine Kinder mit am Tisch. Die sind nämlich so aufs Spiel fokussiert, dass Erwachsene, die sich nebenbei mit anderen unterhalten und an alles Mögliche denken, keine Chance hätten. Ferstl dreht die erste Karte um: Das Deutschland-Memory beginnt – teuto- nischer kann es kaum werden – mit einem Gartenzwerg. Seinen Partner bekommt der pausbäckige Gnom aber erst gegen Ende des Spiels zu Gesicht. Ein Kartensatz nach dem anderen wird aufgedeckt. „Moment, diesen Kutter habe ich doch schon irgendwo gese- hen“, murmelt Scherger nachdenklich, während seine Augen langsam von Quadrat zu Quadrat wandern. „Nein, es war nicht der Kutter, sondern das Schiff auf dem alten Zehn-Mark- Schein“, bemerkt von Stülpnagel. Diese Verwirrung ist den Kognitions- wissenschaftlern nicht fremd: „Wir merken uns immer etwas, indem wir Bedeutungskategorien nutzen“, erklärt von Stülpnagel. Ein Schiff ist nun mal ein Schiff, egal, ob es sich um einen nordischen Fischkutter oder die Gorch Fock handelt. Die Startschwierigkeit liegt ohnehin in der Enkodierung, also im Verstehen: „Hätten wir das Spiel schon dreimal mit denselben Karten gespielt, müssten wir uns jetzt nicht mehr damit beschäftigen, die Bilder wahrzunehmen, zu erkennen und dann abzuspeichern“, erläutert Ferstl. Doch den Kartensatz auswendig zu lernen würde die Aufgabe nicht unbe- dingt leichter machen, weil dann ein anderes Phänomen ins Spiel käme – die so genannte Interferenz, erklärt die Forscherin: „Wenn dieselben Karten immer wieder zum Einsatz kommen, hätten wir mit der Schwierigkeit zu kämpfen, die neue Position eines Ob- jekts dem jeweiligen Durchgang zuzu- ordnen.“ Mag ja sein, dass das Hols- tentor letzte Woche in der vierten Reihe außen lag. Bei der aktuellen Partie liegt es aber mittig im unteren Drittel und stiftet Konfusion, denn die Neuropsychologie unterscheidet zwi- schen dem „What“- und dem „Where“- Pfad: Wollen Menschen eine Informa- tion im Hinblick auf das „Was“ eines Objekts verarbeiten, nutzen sie andere neuronale Wege, als wenn sie am „Wo“ des Objekts interessiert sind. Das Kombinieren der beiden Pfade macht die Leistung besonders komplex und erklärt zum Beispiel, warum man beim Memory-Spielen so oft um eine Karte daneben liegt. Die Region können sich die Spieler nämlich gut merken, die exakte Position nicht unbedingt. Visuell oder verbal? Der Kölner Dom kommt zum Kölner Dom, der protzig glänzende Mercedes gesellt sich zu seinem Zwilling: Scher- ger und von Stülpnagel stapeln ihre Karten, doch auch Ferstl kommt zum Zug. Sie sahnt vier Pärchen nach- einander ab und bringt damit alle Spieler auf Gleichstand. „Damit haben wir die Hypothese widerlegt, dass Männer sich in visuell-räumlichen Prozessen besser zurechtfinden als Frauen“, sagt sie und lacht. Studien legen nahe, dass Männer bei abstrakten Tests besser abschnei- den, während Frauen bei angewandten Aufgaben die Oberhand behalten. Trotzdem entstehe daraus kein Nachteil für das jeweilige Geschlecht, betonen die Forscher. Schließlich gebe es ge- nug Strategien, um den vermeintlichen Mangel auszugleichen. „Wenn sich je- mand einen Weg nicht visuell merken kann, kann er oder sie dies verbal tun, zum Beispiel ‚einmal links und dann rechts‘, oder einfach nach dem Weg fragen“, sagt Ferstl. Womöglich wirke sich die unterschiedliche Herange- hensweise der Geschlechter auch auf Strategien beim Memory-Spielen aus: Männer könnten sich zum Beispiel die Motive nach der räumlichen Anordnung der Karten merken, Frauen würden die Position womöglich verbal umschrei- ben und sie sich so besser einprägen, überlegt von Stülpnagel. Für welche Strategie sich die Spieler auch immer entschieden haben – das Ergebnis ist eindeutig: Während von Stülpnagel und Scherger zu Beginn in Führung lagen, holte Ferstl nach ein paar Runden auf und räumte schließ- lich alle noch verbliebenen Pärchen ab, inklusive Gartenzwerg. Kein Grund also für Gender-Ärger. Dafür lasse sich das Spiel bei Mann und Frau glei- chermaßen gut einsetzen, um das Ge- dächtnis in Schwung zu halten und die Aufmerksamkeit zu trainieren. Der ulti- mative Beweis für den Erfolg? Gegen Kinder zu gewinnen. Knapp vorbei ist auch daneben Der Klassiker „Memory“ basiert auf grundlegenden Annahmen der Kognitionswissenschaft – und widerlegt manche Hypothese Treffer: Evelyn Ferstl hat schon wieder ein Kartenpaar aufgedeckt. Rul von Stülpnagel sieht seine Chancen auf den Sieg schwinden. Fotos: Sandra Meyndt Wo liegt der Zwilling des Berliner Reichstags? Ein Gebäude ist gefunden – aber es handelt sich um die Porta Nigra in Trier. „Deutschland Memory“, Ravensburger, 15,99 Euro. www.ravensburger.de Die Rosenau, die Hildastraße, die Kronenstraße und der Theaterplatz haben etwas gemeinsam: Sie sind Stationen des virtuellen Stadtrund- gangs „Okkultes Freiburg“. Eine Karte präsentiert Orte aus den vergange- nen 140 Jahren, an denen sich Über- sinnliches und wissenschaftlich Uner- klärliches zugetragen haben soll oder an denen Menschen sich mit diesen Themen beschäftigten. Das Projekt ist das Ergebnis von zwei Seminaren, die die Historikerin Dr. Anna Lux an der Albert-Ludwigs-Universität in Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen, unter anderem vom Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, angeboten hat. Ge- meinsam mit den Studierenden hat das Team 27 Stationen recherchiert und die Ergebnisse für die Öffentlich- keit aufbereitet. Nutzerinnen und Nutzer von Smartphones können sich so vor Ort umsehen und den Ausfüh- rungen über Spuk, Hellsehen oder Astrologie zuhören. Orte des Okkulten in Freiburg http://okkultesfreiburg.de Zusammen mit der Albert-Ludwigs- Universität und dem Universitätsklini- kum Freiburg hat das Tuttlinger Medizin- technikunternehmen Aesculap AG das Freiburger Start-up neuroloop GmbH gegründet. Aufbauend auf Forschungs- arbeiten aus der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Thomas Stieglitz vom Institut für Mikrosystemtechnik der Universität und einer Arbeitsgruppe des Universi- tätsklinikums, plant das Unternehmen Neurostimulatoren zu entwickeln, die unter anderem zur Blutdrucksenkung eingesetzt werden können. Das Start- up will unter der Leitung von Dr. Micha- el Lauk und Dr. Dennis Plachta die neuartige Technologie in den nächsten Jahren zur Marktreife führen. „Das ist ein Modellbeispiel, wie Technologien aus Wissenschaft und Forschung unter Beteiligung von Universität, Klinikum und starken internationalen Unterneh- men aus der Region in marktreife Pro- dukte umgesetzt werden können“, sagt Rektor Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer. Aesculap investiert in Ausgründung www.pr.uni-freiburg.de/go/filmreihe_blbt Science-Fiction im Realitätscheck Ein Roboter mit Bewusstsein, mani- pulierte Erinnerungen oder mit dem Gehirn ferngesteuerte Avatare: Diese Ideen aus Science-Fiction-Filmen scheinen mit dem heutigen technolo- gischen Fortschritt in Reichweite zu sein. Welche Entwicklungen stehen bevor, welche sind erwünscht und welche unwahrscheinlich? Der Exzel- lenzcluster BrainLinks-BrainTools der Universität Freiburg lädt ein, Filme und Serien zu diesen Themen anzu- schauen und mit Wissenschaftlern zu diskutieren. Die Reihe richtet sich primär an Schülerinnen und Schüler ab 16 Jahren sowie an Studierende, steht aber auch anderen Interessier- ten offen. Die Vorführungen finden je nach Termin im Kommunalen Kino in der Urachstraße 40, 79102 Freiburg, oder im Rahmen des aka-Filmclubs im Kollegiengebäude II, Hörsaal 2006 statt. Der Eintritt im Kommunalen Kino beträgt 6 Euro, ermäßigt 4 Euro. Die Vorführung des aka-Filmclubs kostet 1,50 Euro. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, bei ganzen Schul- klassen jedoch erwünscht. 022016

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