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uni'wissen 01-2015

kamen. Eine Erinnerung an diese Statements kann es also nicht geben, trotzdem sollen die Stu- dienteilnehmer sie den Sprechern zuordnen. „Da- bei tritt eine andere Funktion von Vorurteilen in Kraft, nämlich das rekonstruktive Füllen von Ge- dächtnislücken. Wenn Menschen sich nicht an et- was erinnern können, greifen sie auf stereotype Erwartungen zurück. Sie verlassen sich auf allge- meines Wissen über ihre Kultur und Gesellschaft.“ Bei einer Diskussion zum Thema Geschlechterrol- len ordneten die Teilnehmer feministischere Aus- sagen („Ich finde es gut, wenn Frauen nach einer Kinderpause schnell wieder in den Beruf einstei- gen“) eher den Frauen und konservativere Ansich- ten („Verheiratete Männer sollten ihre Hemden nicht selbst bügeln“) tendenziell den Männern zu. Basketballer und verfeindete Gangs Klauers Experimente legen nahe, dass die je- weiligen Umstände eine große Rolle für die Len- kung der Aufmerksamkeit spielen. Wenn die sozialen Kategorisierungen um die Wahrneh- mung einer Person wetteiferten, sei es entschei- dend, wie gut eine Kategorisierung zu einer bestimmten Situation passe, erklärt der Psycho- loge. Er konnte belegen, dass sogar eine monu- mentale Stütze wie die ethnische Zugehörigkeit nicht zwangsläufig im Vordergrund stehen muss. „Dabei glaubt man, dass diese Kategorisierung so präsent sei wie der eigene Vorname.“ Bei die- sem Versuch nutzte das Team wieder das „Wer- sagt-was“-Paradigma: Die Probanden sahen eine Diskussion zwischen zwei Sportteams mit weißen und schwarzen Basketballspielern. Die Teilnehmer orientierten sich bei der Zuordnung der Statements nicht an der Hautfarbe, sondern an der Zugehörigkeit zur jeweiligen Mannschaft. Auf den ersten Blick entsprechen die Ergeb- nisse einer gängigen evolutionspsychologischen Theorie, die davon ausgeht, die ethnische Zuge- hörigkeit sei ohnehin nur eine Krücke. Biete man Probanden nämlich Allianzen und Koalitionen als soziale Kategorisierung an, würden Aspekte wie die Hautfarbe zurücktreten. Klauer hat diese Theorie geprüft und erweitert: In einem Experi- ment präsentierte er seinen Probanden eine Dis- kussion zwischen weißen und schwarzen Insassen, die in zwei Gefängnissen unterge- bracht waren. Alle Häftlinge kannten die Bedin- gungen in beiden Anstalten und sollten sich darüber austauschen. „Von Allianzen konnte aber keine Rede sein. Wir sagten den Probanden, alle Gefangenen seien untereinander verfeindet.“ Auch bei dieser Studie war das Ergebnis ein- deutig: Nicht die Hautfarbe wurde berücksichtigt, sondern die Gefängniszugehörigkeit. Mit demsel- ben Verfahren testete das Team die Kategorie Geschlecht. „Deswegen vermuten wir, dass diese Struktur ein allgemeingültiges Gesetz sein könn- te“, führt Klauer aus. „Wenn wir eine starke und eine schwache Kategorie kombinieren, leidet die starke, wenn der Kontext die schwache hervor- hebt. Dabei kann es sich auch um unvertraute Kategorien wie Gefängniszugehörigkeit handeln.“ Gerade bei Prüfungen und Bewerbungsgesprä- chen oder in Polizeiverhören und Gerichtsurteilen können voreingenommene Entscheidungsträger großen Schaden anrichten. „Wenn man weiß, wie Vorurteile funktionieren und wann mit ihnen zu rechnen ist, kann man ihnen besser vorbeugen“, ist Klauer überzeugt. Insofern stimmen die Ergebnisse den Forscher optimistisch. Viele in der Praxis er- probte Verfahren zum Abbau von Rassismus oder Sexismus würden nach dem gleichen Prinzip vor- gehen: Wenn Menschen in einer Gruppe an einem Projekt arbeiten, rückt die gemeinsame Aufgabe in den Mittelpunkt – Unterschiede in Hautfarbe und Geschlecht werden weniger wichtig. www.psychologie.uni-freiburg.de/Members/klauer Zum Weiterlesen Brown, R. (20102 ): Prejudice: its social psychology. Chichester. Klauer, K. C. / Ehrenberg, K. / Wegener, I. (2004): Components of homo- geneity: a multiple-process model of social categorization. In: Yzerbyt, V. / Judd, C. M. / Corneille, O. (Hrsg.): The psychology of group perception: perceived variability, entitativity, and essentialism. Hove, S. 147–160. Klauer, K. C. / Hölzenbein, F. / Calanchini, J. / Sherman, J. W. (2014): How malleable is categorization by race? Evidence for competitive category use in social categorization. In: Journal of Personality and Social Psychology 107, S. 21–40. Prof. Dr. Karl Christoph Klauer hat Mathematik und Psycho- logie an der Rheinisch- Westfälischen Technischen Hochschule Aachen studiert. 1988 legte er seine Disser- tation über Einstellungen an der Universität Hamburg vor. An der Freien Universität Berlin folgte vier Jahre später seine Habilitation zum Thema Problemlösen. Nach Stationen in Heidelberg und Bonn nahm er 2004 den Ruf auf die Professur für Sozialpsychologie und Methodenlehre der Psycho- logie in Freiburg an. Zu seinen Forschungsschwer- punkten gehören soziale Kognition, mathematische Modellierung und kognitive Psychologie. Foto: Patrick Seeger „Wenn Menschen sich nicht an etwas erinnern können, greifen sie auf stereotype Erwartungen zurück“ uni wissen 01 2015 27 uni wissen 01201527

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