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uni'wissen 01-2015

„Fluor ist das reaktivste Element, das herumläuft“ reicht aber nicht, solche Ergebnisse nur zu publi- zieren. Wir müssen zusehen, dass sie verwendet werden.“ Besonders eindrucksvoll ist ihm der Spagat zwischen Grundlagenforschung und An- wendung bei schwach koordinierenden Anionen gelungen. Seine „herausragenden Leistungen bei Synthese und Anwendung“ wurden mit dem Otto- Klung-Weberbank-Preis belohnt. Krossings For- schungsergebnisse zu Anionen sind einerseits so grundlegend, dass sie mittlerweile in Chemie- lehrbüchern stehen, und haben andererseits das Potenzial, das Innenleben von Akkus für Hybrid- autos, Handys und Tablet-PCs maßgeblich zu bereichern. „Für die überlegen wir uns noch bes- sere Leitsalze und Hilfsstoffe“, sagt Krossing, der in Zusammenarbeit mit dem Chemiekonzern BASF ein Batterielabor aufgebaut hat. Anionen mit Teflon überziehen Salze bestehen aus Ionen. So bezeichnen Chemikerinnen und Chemiker elektrisch gelade- ne Atome oder Moleküle. Anionen sind immer negativ geladen: Sie besitzen überschüssige Elektronen, die negative Ladungen tragen. Kat- ionen sind positiv geladen, weil ihnen Elektronen fehlen. Beide Typen werden freigesetzt, wenn Salzkristalle aufbrechen. Bei herkömmlichen Sal- zen wie Kochsalz sind dazu ein Lösungsmittel – häufig ist das Wasser – und oft Energie nötig: Der Lösungsvorgang entzieht dem Wasser Wärme. Doch moderne Salze brauchen kein Lösungsmit- tel und weniger Energie. Ihre Kristallgitter zer- brechen häufig schon bei Raumtemperatur von allein. Die Salze werden flüssig und heißen dann ionische Flüssigkeiten. Mit ihnen beschäftigt sich Krossing: „In unseren Standardanionen sind 36 der 57 Atome Fluor.“ Das hat seinen Sinn. Ionische Flüssigkeiten sind Elektrolyte, sie können also Strom leiten. Wenn Batterien und Akkus Strom liefern, geben Anionen am positiven Pol Ladung in Form von Elektronen ab. Zum Ausgleich der Ladungsver- hältnisse muss für jedes abgegebene Elektron je ein Kation an den anderen, negativen Pol wan- dern. „Diese Bewegung ist für die Geschwindig- keit limitierend“, erklärt Krossing. Auf ihrer Wanderung durch die ionische Flüssigkeit begeg- nen Kationen ständig Anionen. Wie Magnete zie- hen sich die gegensätzlich geladenen Teilchen an. Die Kationen bleiben quasi laufend „kleben“, sie werden gebremst. „Deshalb muss diese Wechselwirkung möglichst gering sein“, erklärt Krossing. Er hat Anionen mit einer Schicht aus fluorreichem Polytetrafluorethylen überzogen, das eher als Teflon bekannt ist. Es dämpft die ne- gative Ladung. Die Anionen werden schwach ko- ordinierend und weniger „klebrig“ für Kationen. Vorhersagen am Computer treffen Doch Leitsalze müssen mehr können als Strom leiten. Auf bis zu 80 Grad heizen sich Ak- kus auf, wenn Autos in der Sonne stehen. „Viele Standardelektrolyte halten nur Temperaturen von 50 bis 60 Grad aus“, erzählt Krossing. Wenn seine 30-köpfige Gruppe neue Verbindungen entwickelt, spielen die Forscherinnen und For- scher zunächst am Rechner virtuell durch, was sich tun wird, wenn sie Fluor an eine Substanz koppeln. „Mit der Computerchemie können wir vorhersagen, welche Richtung die Eigenschaften einschlagen.“ Mehr als 90 Prozent der Progno- sen zu Zähflüssigkeit, Leitfähigkeit, Dichte, Schmelzpunkt und anderen Parametern treffen zu. Um letzte Unsicherheiten auszuräumen, sind am Ende reale Versuche nötig, aber viel weniger als früher. Dadurch sinken Zeitaufwand, Kosten für Chemikalien und Abfallmengen, was für For- scher, Budget und Natur gleichermaßen erfreu- lich ist: Ein Kooperationspartner Krossings ist die Deutsche Bundesstiftung Umwelt. An seinem Institut hat Krossing ein spezielles Fluorlabor eingerichtet. Dort sind Experimente mit Fluorkonzentrationen von bis zu 100 Prozent möglich. Den Sicherheitsbereich dürfen aller- dings nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betre- ten, die im Umgang mit dem ebenso vielseitigen wie heiklen Element geschult sind: Die Reinform, elementares Fluorgas, ist giftig. Gleiches gilt für die starke Säure Fluorwasserstoff, auch als Dieser neuartige Minireaktor ermöglicht es, Fluor in organische Verbindungen einzuführen. Die nächste Verkleinerungsstufe wird der Mikroreaktor sein – ein Chip, den Freiburger Forscher derzeit entwickeln. 41

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