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uni'wissen 02-2012

Bestsellerroman „Die erste intime Berührung“ zum Beispiel erzählt der Schriftsteller Cai Zhiheng die Geschichte einer Studentin und eines Studen- ten, die sich zu ihrem ersten Rendezvous in ­einer McDonald’s-Filiale verabreden. Lena ­Henningsen zufolge verarbeitet das Buch ein Phänomen, das in den späten 1990er Jahren die sozialen Ausdrucksmöglichkeiten junger Erwach- sener zu verändern begann. Damals war Privat- sphäre in der Volksrepublik China ein knappes Gut: Studierende teilten sich im Wohnheim ein Zimmer mit mehreren Kommilitoninnen und Kom- militonen, als junge Berufstätige wohnten sie in der Regel bei ihren Eltern. Eine Kaffeehauskultur mit Getränken und Imbissen zu erschwinglichen Preisen gab es in den meisten Städten nicht, und Restaurants waren viel zu teuer für junge Leute. Und die Separees in Karaoke-Bars? Da lieferten die Betreiber die passenden Damen gleich mit. „McDonald’s wurde nicht nur wegen des Essens beliebt, sondern weil die Kette einen neuen Raum eröffnete, in dem sich junge Men- schen den Augen ihrer Familie entziehen konnten.“ Das Buch bilde die Realität nicht eins zu eins ab, aber es erfülle eine wichtige Rolle, betont die Sinologin: „Fiktionale Texte sind so etwas wie Ratgeber, die Leserinnen und Lesern dabei hel- fen, sich im Konsumdschungel zurechtzufinden.“ Sie vermitteln Wissen über die Produkte, ordnen sie in den Alltag ein und zeigen, was man mit ihnen anstellen und wie man diesen Gebrauch für die eigene Identität interpretieren kann. „Die populären Bücher handeln in großem Ausmaß von Konsumphänomenen des modernen Alltags. Sie transportieren einen urbanen Lebensstil, der neben internationalen Markenprodukten auch Merkmale gehobener chinesischer Lebenskultur und Elemente der so genannten Hochkultur ent- hält.“ Da Vinci und Shakespeare Seite an Seite mit Rolex, Rotwein und chinesischem Tee. Außer- dem gelte die Fast-Food-Kette McDonald’s, ­obwohl sie inzwischen vor allem zu einem Treff- „Fiktionale Texte sind so etwas wie Ratgeber, die Leserinnen und ­Lesern dabei helfen, sich im ­Konsumdschungel zurechtzufinden“ Harry Potter und das Plagiat: Fälschungen der Romanreihe gehörten zu den meistverkauften Büchern auf dem chinesischen Schwarzmarkt, als die ersten Verfilmungen in die Kinos kamen und einen „Harry-Potter“-Boom auslösten. punkt für alte Leute und einem Ort für Kinder­ geburtstage geworden sei, nach wie vor als Inbegriff des American Way of Life. „Zwar wissen viele Chinesen mittlerweile, dass das Essen bei McDonald’s ungesund ist, aber die Eltern gehen mit ihren Kindern dorthin, weil es auch eine Art Bildungsangebot ist“, sagt Henningsen. Die coolen Hipsters sitzen seit ein paar Jahren bei Starbucks. Die Cafés bieten unzählige Kaffee- spezialitäten und locken mit gemütlichen Sesseln und überdimensional großen Sofas. Henningsen 22

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